»Träumen kostet Mut, wenn dir keiner Hoffnung macht. Und es bleibt immer diese Angst, dass ich trotz aller Anstrengung versagen und das Leben meiner Eltern leben werde.«
Der Fischer Verlag, in welchem das Buch von Frau Zimmer erschienen ist, nennt es einen Erfahrungsbericht, ich nenne es eine persönliche Geschichte in der sich die Gesellschaft und Ihre Entwicklung spiegeln kann.
Mann könnte gleich hier einhaken: was ist Gesellschaft, jeder einzelne Mensch ist schließlich Teil der Gesellschaft hat also auch Anteil, eine Zelle von Vielen – mmmh so empfinde ich es in Deutschland nicht so ganz. Ich sehe nicht das der Einzelne wirklich mitbestimmen oder gar steuern kann, deswegen hoffe ich immer auf die Gruppen die sich finden und freue mich über alle die Aktiv werden, wie z.B. Ralph Boes oder auch Frau Kipping, oder sich wenigstens mal Gedanken machen über Dinge die manchmal auch über den eigenen Tellerrand hinaus gehen.
Im Buch erzählt Undine Zimmer viel Ihrer eigenen Geschichte, Kindheit, Jugend und auch das Leben als junge Erwachsene, studierend und arbeitend. Sie hat unheimlich viel geschafft durch harte Arbeit und viel Ehrgeiz und Fleiß. Beide Elternteile sind Hartz4 Empfänger und konnten Sie finanziell null unterstützen. Ich finde es unglaublich toll wie Sie das alles hinbekommen hat. Und doch schmerzt es auch zu lesen wie Hart das Leben für eine junge Frau, geboren in einem reichen Land, sein kann. Und ich wünsche Ihr das sich das Buch gut verkauft und das Sie in Ihrem Beruf so Erfolgreich wird das Sie sich auch mal ausruhen kann und etwas Leichtigkeit in Ihr Leben einkehrt.
Im Grunde lebt Sie eine typisch deutsche Einstellung: Harte Arbeit ist gute Arbeit – nicht als Vorwurf gemeint sondern als meine persönliche Erkenntnis aus meiner Umwelt oder dem was ich so mitbekomme. Solange es Menschen gibt die sich für wenig lohn ausnutzen lassen und auch noch stolz drauf sind billige Arbeitskraft zu sein anstatt Hartz4 zu beantragen wird es solche Jobs auch geben und wird es auch immer Druckmittel sein. In Amerika gibt es wenigstens den Traum vom Tellerwäscher zum Millionär – in Deutschland geht es darum Schaffe Schaffe Häusle bauen, also einfach brav und hart zu arbeiten. Arbeit darf nicht schön sein und auch nicht leicht, dann gilt das nämlich nicht. Und das Muster, was meiner Meinung nach von einer grundsätzlichen Erziehung des Mangels herrührt – durchaus auch so politisch gewollt, schließlich hilft das Kontrolle zu üben, ist in diesem Buch lesbar. Es ist nicht genug für Alle da, die einen haben halt den Platz da Oben und die anderen da Unten – so scheint es. Was wäre wenn Wir die Vorstellung leben würden das jeder das recht auf Glück hat und auf eine Arbeit die ein gutes Leben ermöglicht – ich glaube das wäre eine machbare Vision für die Zukunft. Wie Ihr seht es schlagen 2 Herzen in meiner Brust im Blick auf das Buch.
Am Einzelnen und im Privaten erst wird die Politik wirklich erfahrbar. Politik ist am Ende eine zutiefst private Sache – angefangen von persönlichen Meinungen derer die Sie durchsetzen und anführen bis eben zu denen auf deren Schultern Sie ausgetragen wird. Und so weiß man das Frau Zimmer nicht die Einzige ist. Vieles findet sich hier wieder was auf viele viele Menschen in unserem Land zutrifft, und worunter Sie leiden. Als selbst Betroffene weiß ich wovon Undine Z. spricht, nur das ich das Glück hatte im Notfall Unterstützung zu bekommen.Und Sie schon ein recht spannendes Leben führte.
Sie berichtet auch von Gesprächen, das Thema polarisiert, und es gibt weit auseinander gehende Aussagen in diesen Unterhaltungen. Ich denke das liegt ganz klar daran ob man wirklich Erfahrung mit dem System gesammelt hat oder nicht…sei es das Thema, Geld, Anträge, Studium, Nebenjob. Und dann gibts natürlich immer auch die Leute die einfach Glück haben.
Solche Bücher sollte jeder lesen, allein um endlich wieder den Blick zu schärfen für das was in unserem Land vor sich geht. Ein persönliches Buch, was sicher Mut erfordert hat, es zu schreiben und sicher auch schreibend befreite. Hartz4 ist nicht wirklich ein Thema in der Öffentlichkeit und wenn dann meistens nur auf eine sehr sehr einseitige Art und Weise, die die Betroffenen noch mehr an den Rand schiebt und verurteilt. Von Hartz4 abhängig zu sein bedeutet vorverurteilt zu sein. Es braucht mehr so mutige Menschen die davon erzählen wie es sich in Deutschland lebt wenn Mensch nicht zur „üblich“ arbeitenden/konsumierenden Masse dazugehört, was es heißt eine Familie durchzubringen mit Geld vom Amt statt mit eigener sinnerfüllter Arbeit. Wie das so läuft mit und im Amt, ja, da habe ich viel wiedererkannt und gleich noch ein paar interessante Verweise auf Literatur gefunden.
Es gefällt mir wie Undine Zimmer die Geschichten die das Leben so schreibt erzählt, oft auch mit Humor, der einem meistens aber im Hals steckenbleibt, ganz einfach weil es um existenzielles geht. Interessant ist es aufjedenfall, auch wenn die Bitterkeit oft zu spüren ist, ist eben auch kein einfaches Thema und kein Unterhaltsbuch.
Der Verlag sagt:
Ein authentischer Erfahrungsbericht: eine Kindheit am Rande der Gesellschaft
Wir sind die Summe der Erfahrungen, die wir machen. Für ein Hartz-IV-Kind zählen aber auch die, die es nicht macht: Familienurlaub, Klassenausflug oder einfach ein Eis essen gehen.
Für Undine Zimmer war das die Realität. In einem ganz eigenen, souveränen Ton erzählt sie davon: von ihren Eltern, die als »nicht integrierbar in den Arbeitsmarkt« gelten, von mitleidigen Lehrern und verständnislosen Sachbearbeitern, von der Furcht, bloßgestellt zu werden, und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Jenseits aller Klischees gibt sie Einblick in eine Welt, über die viel geredet wird, von der aber kaum jemand wirklich etwas weiß.
Aufjedenfall Lesenswert! Volle Empfehlung meinerseits.
Jul 17, 2014 @ 07:21:09
Oh toll, das wollte ich auch mal lesen. Undine Zimmer hat eine Kolumne in der taz. Da schreibt sie wie man mit sehr wenig was Tolles kochen kann. 🙂
Danke für die Rezension. 🙂 LG
Jul 17, 2014 @ 09:30:01
Ich danke für deiN kommentar – freu mich immer wenn jemand was zu sagt.
Die Taz lese ich leider schon lange nicht mehr, war früher meine Standardzeitung *seufz* – Wir haben auch eine Obdachlosenzeitung wo ich mir mal überlegt habe Rezepte einzureichen – weil di, die dort abgedruckt sind viel zu aufwenig und teuer sind.
Danke für den Hinweis aufjedenfall, weil ich wollte Undine nämlich gern einen Brief zu Ihrem Buch schreiben, da weiß ich jetzt wohin – cool! 😉
Alles Liebe, bei mir gibts heute Champions(braune) aus dem Angebot mit Rührei und ein kleiner Tomatensalat mit Zwiebel. Und da meine Schwester zu Besuch kommt auch noch Quarkkäulchen aus Restkartoffeln von gestern.
Was macht deine Gesundheit? Mit Ernährung kann man echt viel Unterstützen. Oder der Physiotherapeut – da geh ich grad hin.
Jul 17, 2014 @ 09:30:49
Ach und Ps.: was ich ja immer so cool finde ist wenn ich intuitiv was tolles in der Bücherei erwische und das nachher auch noch bekannt ist.
Jul 17, 2014 @ 13:02:54
Danke der Nachfrage, ich war am MO bei der Physiotherapeutin und konnte mich nach 20 min wieder bewegen! Toll! Habe spontan über einen Heiratsantrag nachgedacht oder ich bedenke sie in meinem Testament! 😀 Jetzt mach ich wieder ganz viel Sport. Auch wenn es noch schmerzt freue ich mich über die neugewonnene Bewegungsfreiheit! Ich bin nicht ich wenn ich mich nicht bewegen kann!
Zu essen gibts bei mir ganz viel aus dem eigenen Garten. Derzeit Gurken, Zucchini, Radieschen und Kräuter (zB im Quark zu Kartoffeln).
Ich bin mir nicht sicher, könnte sein, dass Fr Zimmer auch ein Kochbuch herausgegeben hat mit ihren Rezepten. Wenn nicht frag doch mal nach bei der taz. Vielleicht verschicken sie die Kolumne per mail.
LG