Ein Ausflug nach Brandenburg


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Hier ist die Protagonistin Biologielehrerin und betrachtet wirklich alles mit einem biologistischem Blick, das ist ziemlich herb und selten liebevoll, aber grandios geschrieben. Die Kargheit und Weite des Brandenburgischen trägt die Geschichte mit und auch die Hauptfigur. Ein phantastisches Buch.

„Der Hals der Giraffe“, viele LeserInnen meinen, dass auch hier „nichts“ erzählt wird. Aber ich empfinde dieses Buch viel mehr als eine Verdichtung oder auch meditative Auffächerung 3er Tage der Frau Lohmark. So dicht wie „Der Hals der Giraffe“ erzählt ist, kenne ich nur wenige Bücher, für mich echte Literatur. Natürlich ist es einen Gedanken wert, ob es sich wirklich um einen Roman handelt. Aber das Wort „Bildung“ im Begriff Bildungsroman stimme ich voll zu. Bildung im Sinne von Selbsterforschung bzw. Analyse anhand von „Fakten“.

Gelebter Darwinismus

Inge Lohmark, die Protagonistin des Romans, ist Biologielehrerin an einer Schule in einer Kleinstadt in Vorpommern. Ihr Tage als Lehrerin sind gezählt. Denn es fehlen die Schüler in einem Landstrich, der von Abwanderung geprägt ist. Was durch Judith Schalansky einprägsam beschrieben wird. Darwinismus und dessen Anwendung auf ihre kleine Welt prägen das Denken und Handeln von Frau Lohmark.

Dieser Bildungsroman ist phantastisch. Bildungsroman, das passt in mehrfacher Hinsicht. Und selten habe ich einen Roman gelesen, in welchem der/die Schreibende so hinter der Hauptfigur verschwindet. Aber vielleicht ist das auch nur eine Mutmaßung, denn ich kenne Frau Judith Schalansky ja nicht. Wir werden beim Lesen Zeugen von Frau Lohmarks Gedanken, die so nahtlos in alle geschilderten Gespräche einfließen, dass es oft schwierig ist, beides auseinanderzuhalten. Was dem Roman aber überhaupt nicht abträglich ist, sondern Frau Lohmark und ihre Welt für den Leser nur noch verdichtet.

Fehlende Gefühle

Was man von Inge Lohmark erfährt, sind auch hauptsächlich ihre Gedanken – gefühlskalt wäre eine treffende Bezeichnung für ihre Person. Wenn nicht so überaus klar wäre, dass es nicht die Gefühlskälte ist, die Frau Lohmark beherrscht, sondern eher das Fehlen von Gefühl und einer eigenen Sinneswahrnehmung. Sie erklärt sich alles, aber auch wirklich alles, über Ihre ganz eigenen Ansichten vom Überleben des Stärkeren, im Sinne der sich anpassenden Natur. Eine Anpassung, um in einer sich verändernden Welt zu überleben. Was Sie selbst für sich in keiner Weise schafft.
Erstaunlicherweise stelle ich das erstmal so auch gar nicht in Frage, und frage mich auch nicht warum Frau Lohmark so ist. Heute würde ich sagen, es scheint ein Trauma zu wirken, anders sind die fehlenden Gefühle, also diese Unfähigkeit für mich schwer zu erklären. Aber so normal Trauma in unserer Welt ist, so selbstverständlich ist einfach das Inge Lohmark so ist.

Einprägsam, wunderschön

Schalansky hat so vieles in kurzen Abschnitten, wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Auf Frau Lohmarks Punkt wohlgemerkt. Ein sehr eigentümliches Buch. Ein sehr eigene Welt und ein sehr einprägsames Buch, wie ich es vorher noch nicht gelesen habe.

Außerdem wunderschön: Der Leineneinband mit Prägedruck.

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„Der Hals der Giraffe“
Judith Schalansky
Suhrkamp

Leineneinband ca. 20,00 €
als Taschenbuch für 10,00 €

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Text und Leseerfahrung von 2012 – überarbeitet 2021 / Habe das Buch für meinen Naturewritingkurs rausgesucht und kann es wirklich nur empfehlen.

Japanbücher – Teil 2 von 5

Die Ladenhüterin von Sayaka Murata – Japan live, Alltag im Konbini

Der Titel ist ein herrliches Wortspiel – ich weiß allerdings nicht ob es im japanisch Originaltitel auch so hin haut, ich mag so was ja gern. Die Ladenhüterin hütet das Konbini, ein japanischer 24h Supermarkt, in welchem Angestellte aus der Umgebung auch ihr Mittagsessen herbekommen. Ziemlich gut beschrieben, ich zumindest bekam gleich ein Gefühl dafür.
Außerdem ist die junge Frau eine Ladenhüterin in dem Sinn, daß sie schon über das übliche gesellschaftliche Alter zum heiraten hinaus ist, und da auch nichts in Aussicht steht. Die Familie und die wenigen Bekannten bedenken Keiko, so ihr Name, deshalb schon immer reichhaltig mit Ratschlägen. Die sie sich fast staunend anhört.

Keiko Furukura berichtet persönlich von ihrem Alltag im Verkaufsshop und ihren sensiblen Beobachtungen. Sie hat einen echten Blick für Details und hört auch ganz genau hin. Sie geht vollkommen auf in ihrem Konbini, obwohl sie nur als Aushilfe angestellt ist. Eigentlich ist das ganze nämlich ein Studentenjob, sie hat ihn aber schon viele Jahre und ist damit eine echte Ausnahme.
Wir erfahren einiges aus ihrer Kindheit, über ihre Familie, oder z.b. das sie weniger emotional war als andere Kinder und einen gewissen Hang zur „Gewalttätigkeit“ – oder ist es Pragmatismus, fehlendes Mitgefühl? hatte.
Sie merkt schon als Kind, daß die Menschen auf sie irritiert reagieren und beginnt von da an sich besser anzupassen, beobachtet ganz genau. Übernimmt sogar Stimme und Betonung, aber auch Verhaltensweisen.
Durch ihre Beobachtungen führt sie uns die moderne Gesellschaft in Japan vor, die nicht viel anders ist als auch in Deutschland. Es gibt viele Normen, und nur wenn man diesen folgt ist man Normal. Die Protagonistin z.b. ist der Norm nach eigentlich viel zu alt um in diesem Supermarkt zu arbeiten und noch nicht verheiratet zu sein. Das Ding ist, sie strebt nichts anderes an. Ihre Arbeitsstelle ist einfach ihr Ding. Dort gibt es klare Regeln und Abläufe die Sie aus dem FF beherrscht und denen Sie folgt als wären es Tanzschritte. Im Grunde lebt sie für den Konbini.
Sie hat aber durchaus noch Kontakte zu alten Bekannten aus der Schulzeit und zu ihrer Familie. Die Urteile die ihr entgegen schwappen verunsichern Sie in soweit das Sie überlegt was Sie tun kann um nicht weiter aufzufallen und weitere Urteile oder komische Blicke auf sich zu ziehen. Auch wünscht Sie sich das ihre Familie glücklich ist und sich keine Sorgen macht.

So klar wie hier im Buch diese ganzen Normen und Verhaltensweisen angesprochen werden, auch von den einzelnen Darstellern, das hat schon etwas extremes. Die Vorstellung nur wenn der andere dem entspricht was ich von ihm/ihr erwarte, nur dann ist es gut, ist eine Aussage die rüberkommt. Die gesellschaftliche Norm steht über dem individuellen Lebensvorstellungen.

Keiko versucht auch dem zu entsprechen, ziemlich ernsthaft sogar, aber das tut sie nicht für sich.

Ein weiteres interessantes Thema, welches durch die Beobachtungen Keikos hervorspringt ist die Ähnlichkeit von Gruppen untereinander. die sich so ergeben oder nach und nach durch den täglichen Umgang entstehen. Ja, alles hat eben so seine Wirkung auf uns, die Räume, die Menschen, alles was uns so umgibt. Umso schöner finde ich wie Keiko doch trotz allem Sie selbst bleibt. Eine schöne und auch etwas schräge Geschichte mit einer besonderen Heldin.

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Die Ladenhüterin von Sayaka Murata
Übersetzer/in
Ursula Gräfe

18,00 € , Aufbau Verlag

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Sayaka Murata wurde 1979 in der Präfektur Chiba, Japan, geboren und arbeitet selbst in einem Konbini. Für ihre literarische Arbeit erhielt sie bereits mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Noma-Literaturpreis für Nachwuchsschriftsteller und den Mishima-Yukio-Preis. Ihr Roman „Die Ladenhüterin“ gewann 2016 mit dem Akutagawa-Preis den renommiertesten Literaturpreis Japans.

https://www.zdf.de/kultur/aspekte/videos/sayaka-murata-roman-die-ladenhueterin-100.html

 

Japanbücher – Teil 1 von 5

Japan, eine meiner großen Lieben, auch wenn ich noch nie dort war. Ich weiß nicht wann diese Liebe genau geweckt wurde. Vielleicht war ich in einem früherem Leben Japanerin. Aber so richtig doll fing das damals an, als wir im Studium das Werk „Wilde Schafsjagd“ von Haruki Murakami lasen und auseinander nahmen. Ein Buch wie „Die wilde Schafsjagd“ hatte ich vorher noch nie gelesen. Moderne Literatur und Geschichte, Sagen und Märchenhaftes, voller Symbolik und Phantasterei bis hin zur Absurdität. Aufregend. Eine ganz andere Art zu erzählen, wie ich sie bis dahin kannte. Im Foto ist das Buch in meinem Lieblingscover zu sehen, das gibts schon lange nicht mehr.  Inzwischen habe ich es oft verschenkt und immer versucht eins mit diesem Cover zu finden.

In letzter Zeit hatte ich einige neue Bücher zum Thema Japan angelesen. Schon länger wollte ich dazu mal berichten.

 

Geständnisse von Kanae Minato – Monologe, Schuld, Rache und Grausamkeit

Die Autorin Kanae Minato hat hier schon etwas wirklich besonderes, und ich denke auch etwas ziemlich japanisches hingelegt. Ich habe das Buch trotzdem nur bis Seite 95 gelesen. Warum? Die Geschichte wird über Monologe erzählt, die teilweise wie lange Anklagen klingen, und es sicher auch sind. Eine Lehrerin, deren  kleine Tochter in der Schule verunglückt berichtet vor ihrer Klasse wie sie das ganze sieht. Jugendliche eben jener Klasse, die sie unterrichtete. Einige ihrer Schüler sind verwickelt in die ganze Sache. Schon recht früh erfahren wir grausame Details über den „Zustand“ der jungen Leute. Mir gefiel das mit den Monologen nicht, das hatte für mich etwas langatmiges und zog sich ganz schön hin. Immerhin einige Seiten habe ich geschafft. Ich kann mir aber durchaus vorstellen das es manchen gut gefällt. Der Tod der Tochter hat auch besondere Umstände denen hier nachgegangen wird. Ein Unfall?

Eine Situation, und viele unterschiedliche Erzählweisen dazu. Verschiedene Blickwinkel, verschiedene Gewichtungen…

Was haltet ihr von so kurzen Rezensionen?

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Geständnisse von Kanae Minato
Aus dem Japanischen von Sabine Lohmann
Originaltitel: Kokuhaku (Confessions)
Originalverlag: Futabasha Publishers, Tokyo 2008

16,99 €, Verlag: C. Bertelsmann
10,00 € als Taschenbuch
Erschienen:  27.03.2017

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Kanae Minato, geboren 1973 in Japan, begann ihre Karriere als Schriftstellerin mit dem Bestseller „Geständnisse“, der erfolgreich verfilmt wurde! Ihre Romane und Kurzgeschichten wurden vielfach ausgezeichnet.

https://www1.wdr.de/kultur/buecher/kanae-minato-gestaendnisse-104.html

Fortsetzung folgt

Heeme – ein Heimkehrerinnenbuch

„Heeme“, eine Mischung zwischen Erfahrungsbericht und Kurzroman. Ich habs direkt von der Autorin bekommen, mit Widmung. Sowas freut natürlich immer ganz besonders. Stephanie Auras-Lehmann kommt aus dem Spreewald und war selbst lange fern der Heimat. Sie ist eine aus der Generation, die in der Kindheit/Jugend die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt hat. 1982 wurde sie geboren. In der Geschichte von „Heeme“ verarbeitet sie eigene Erlebnisse und Erinnerungen aus der Zeit nach der „Wende“ bis zu ihrer eigenen Heimkehr 2009 nach Finsterwalde. Dort hat Sie inzwischen eine Rückkehrerinitiative für den Landstrich Elbe-Elster aufgebaut.

Die Protagonisten haben alle sehr lustige Namen, und es ist durchaus ein leichtes Buch was sich sehr gut lesen läßt – mit einer Überarbeitung wäre es bestimmt auch was für einen Verlag der Bücher in einfacher Sprache rausbringt. Da fehlt nämlich noch jede Menge Literatur.

Die Heldin der Geschichte hat einen typisch Ostdeutschen Namen: Peggy 😉 und bleibt irgendwie übrig nach dem Schulabschluss im Osten. Alle anderen haben die Heimatstadt schnell verlassen, denn dort gibt es so gut wie keine Zukunft, sprich Ausbildungsstellen. Irgendwann packt es dann auch Peggy, und sie macht sich auf in die neue weite Welt. Die Möglichkeiten beim Schopfe packen. Da heißt es erstmal „sich zurecht zu finden“, die westlichen Gepflogenheiten kennenlernen und sich ganz neu eingewöhnen. So richtig Freunde findet Peggy aber nicht, und man merkt sie hängt an der Heimat. Doch das leben meint es auf eine andere Weise sehr gut mit ihr und Sie macht Karriere – allerdings mit so einigen Hürden und nicht immer erfreulichen Ereignissen. Aber sie schlägt sich tapfer durch und bleibt am Ball und kommt weit. Und zwar bis hinüber über den großen Teich: New York.
Doch daheim im ruhigen Städtchen wartet der Freund und irgendwann muß Peggy sich entscheiden.

Wofür sie sich entscheidet ist klar, wenn man den Untertitel liest. Manch einer wird sie für verrückt erklärt haben und nunja, im Osten stehen die Chancen bis heute ja nicht gerade zum besten wenn es um das Thema Arbeit geht. Und will man denn nicht gerade als junger Mensch die Welt erkunden?

Stephanie hat mir vorne ins Büchlein geschrieben „Rückkehren verbindet“, dem kann ich nur von Herzen beipflichten. Ich hab beim Lesen auch gleich die Verbindung gespürt, auch wenn ich älter bin und früher weg bin und schon nach dem Studium zurückkam.
Das hat auf jedenfall etwas mit dem Thema Heimat zu tun – auch wenn auf mich jetzt weder Liebe noch Eltern gewartet haben – dafür die Großeltern. Im Laufe der Jahre hat es mich schon immer wieder auch verwundert wo es überall sächsische Enklaven gibt und wieviele jüngere Menschen Woche für Woche zwischen Ost- und Westdeutschland pendelten. Jemand der bis New York gekommen ist, kenne ich allerdings nicht.

Wir leben heute in einer Welt, in der Familien oft verstreut sind und auch Freunde selten am gleichen Ort wohnen. Die Welt ist verdammt groß geworden. Es gibt durchaus viele Möglichkeiten, wenn man sie denn findet, oder das Geld dazu hat. Denn es hat immer auch mit Glück zu tun wie weit man kommt und was man damit anfangen kann. Viele können auch nur in die Ferne schauen, und sehnen sich vielleicht gerade deshalb besonders danach. Doch wenn man die Welt auch weiter weg kennengelernt hat sieht man die Heimat oft nochmal mit anderen Augen. Spätestens wenn es ans Famlie gründen geht überlegt man sich doch wohin, grade wenn man Familie hat mit der man sich auch versteht. Großeltern sind doch sehr hilfreich für die Kinder und auch alte Freunde sind schon was besonderes.
So kehrt manche*r wieder Heim und ist Glücklich damit und bestenfalls bringt die Person auch noch was mit, wie Stephanie Auras-Lehmann ihre Geschichte und ihr Projekt für Heimkehrer*innen.

Stephanie Auras-Lehmann

Heeme
14,99 €

https://www.heeme-buch.de/

 

Pirasol

Pirasol – das ist im Roman eine alte Villa. Das Zuhause der alten Gwendolin. Sie lebt schon eine ganze Weile hier. Früher mit dem viel älterem Ehemann und dem Sohn, der eine inzwischen tot, der andere lange fort. Die alte Dame ist aber nicht allein. Sie hat sich, wie schnell klar wird leider, auf eine Mitbewohnerin eingelassen. die Mitbewohnerin ist um einiges Jünger und schaltet und waltet sehr bestimmend. Gwendolin fühlt sich überhaupt nicht wohl damit.
Dieser Geschichtenstrang zieht sich vom Anfang bis zum Ende durch das Buch und ist ein ziemlich angespannter Strang, mir wird am Schluß schon ganz hibbelig, so gespannt bin ich auf die Auflösung.
In den Zeiten dazwischen erinnert sich Gwendolin an ihre Zeit die Sie in Pirasol verbracht hat, aber auch an ihre Kindheit und Jugend im Krieg und vor allen den Nachkriegsjahren.

„…und sich gewundert hatte, warum er nur Papier ohne Zeilen benutzte und sich weigerte, seine Schrift auf gezogenen Linien abzulegen.“

Die ganze Geschichte hat etwas schleifendes, so wie das Leben Gwendolin geschliffen hat, wird auch der Leser geschliffen. Es fiel mir schwer das mitzumachen und durchzuhalten. Denn zwischendurch stopp es kurz und dann wird neu angesetzt. alles wird mehrfach aufgegriffen, jedesmal geht es ein Stück tiefer und Häppchenweise erfahren wir was in der Vergangenheit passiert ist.
Erfahren wie Gwendolin ihre Eltern verlor und in welcher bangen Hoffnung sie nach dem Krieg grade so überlebt.
Es scheint Sie ist erstarrt durch das was Sie schon früh erlebt hat. In ihrer Ehe wird das Ihr und dem gemeinsamen Sohn zum Verhängnis.
Was macht man nun mit diesen Erfahrungen, die einen still werden ließen. Was macht man jetzt im hohen Alter mit diesem Leben?

„… und Gwendolin spürte, wie sie sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete: die Einsamkeit, wenn man andere Menschen zueinander geführt hatte.“

Susan Kreller hat eine feine angenehme Sprachmelodie in den Roman gewirkt, immer wieder webt sie kleine Poesien sein, die viel Atmosphäre erzeugen. Eine echte Stärke des Romans. Er hat mich sehr berührt und so manches mal sind mir die Tränen gekommen, was mir eher selten beim lesen passiert.
Beim schleifenden der Geschichte bin ich mir nicht scher ob es ein ausgefuchstes Stilmittel ist, welches uns immer mehr hineinziehen soll oder ob es nicht eine Schwäche in der Erzählung ist? Zwischendurch empfand ich es schon durchaus auch als lästig und hätte mir gewünscht das die Dinge mit einem mal „erledigt“ werden und nicht zwei-, dreimal wieder angefasst werden um dann doch noch wieder neues zu offenbaren. Ja ich denke man hätte die Geschichte auf weniger Seiten erzählen können und es hätte ihr vielleicht auch gut getan. Aber ich glaube dann wäre nicht diese besondere Stimmung zu Tage getreten. Welches Leben läuft schon gerade? Was gelingt schon im ersten Anlauf? Und ja, wie vieles gelingt nie?

„..und der das, was war, in aller Lautstärke vergaß.“

Worüber ich froh war, das war das versöhnliche Ende, welches ich Gwendolin auch aus tiefstem Herzen gegönnt habe.
Pirasol ist ein besonderes Buch und birgt eine Geschichte in die man eben durch die Erzählweise tief einsteigt, eine Geschichte die in Erinnerung bleiben wird. Ein kleiner Wermutstropfen, auch wenn es die Geschichte von Gwendolin ist, dreht sich doch sehr viel mal wieder um die Männer, erst den Vater, dann den Ehemann und später den Sohn. Die Frauen bleiben zu oft Randfiguren, sehr schade.

„Er lachte, weil es seine Art zu weinen war … und wie sie selbst weinte, indem sie nicht mehr weinte“

Näheres zum Inhalt:

Das Mädchen was von einer Nachbarin gerettet wird, unter Umständen die ihr das fühlen abgewöhnen. Umstände die viel Kraft kosten um sie zu überleben. Der Vater der aus dem Krieg heimkehrt, mit dem das Mädchen in seiner Abwesenheit all die Bücher geteilt hat, die eigentlich längst verbrannt sein sollten. Bücher die das Mädchen nie vergessen wird, und die auch ihr Sohn ganz heimlich entdeckt, viel viel später. Bücher spielen eine große Rolle und haben sehr viel zur Rettung beigetragen – ich kenne das. Bücher die einen sich selbst wiederfinden lassen. Bücher die trösten oder neue Welten zeigen. Bücher die ein Heimatgefühl oder Geborgenheit schenken. Bücher auch in Form von Buchläden als Zufluchtsorten und Buchhändlern als Vertraute.
In der Erstarrung und Einsamkeit findet Gwendolin ein aufgewecktes paar graue Augen und lässt sich davon einnehmen. Lernt das Haus Pirasol kennen und verliebt sich sofort. Die Ehe wird ein Alptraum, die grauen Augen werden hart und bitter und lassen besonders am gemeinsamen Sohn alle Bösartigkeiten und Demütigungen aus. Strafen Gwendolin mit einer Kälte die Sie weiter in einer stummen Erstarrung verharren lässt. Der Widerstand so zart und leise das er nur für sehr kleine Glücksmomente reicht. Für ihren Sohn reicht es nicht.

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Pirasol
Susan Kreller

Piper/Berlin Verlag
Hardcover 20,- €  / Taschenbuch 11,- €

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Ein Auszug aus dem Roman erhielt den GWK- Förderpreis 2014
Susan Kreller: Geboren 1977 in Plauen, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über englischsprachige Kinderlyrik. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie 2012 mit dem Jugendbuch »Elefanten sieht man nicht« bekannt. Sie erhielt unter anderem das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium, den Hansjörg-Martin-Preis (2013) und 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis für »Schneeriese«. Sie arbeitet als Schriftstellerin, Journalistin und Literaturwissenschaftlerin

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zum reinhören
https://www1.wdr.de/kultur/buecher/susan-kreller-pirasol-104.html

Die Schlange von Essex

Mit der „Schlange von Essex“ gewann Sarah Perry 2017 den britischen Buchpreis für den besten Roman und das Beste Buch insgesamt. Leider habe ich keinen Vergleichswert was britische Bücher angeht. Das Wissen um den Preis hat mich aber angehalten dabei zu bleiben, denn ich wahr mehrfach versucht das Buch wegzulegen. Es ging mir zu langsam vorwärts und schien mir in mancher Hinsicht zu leicht vorhersehbar.
Eine Stärke des Buches sind sicher die Schilderungen der Atmosphäre und der Landschaft von Essex.
Die Geschichte plätschert so ein wenig vor sich hin.
Cora, eine junge Mutter, verliert ihren Mann durch Krankheit. Für Sie ist es ein Befreiungsschlag. Wir Schreiben das Jahr 1893. Sie und Ihr Sohn, der vermutlich Autist ist, ziehen für eine Weile aufs Land. Cora hat eine ganz große Schwäche für Fossilien und liebt es in der Erde zu wühlen. Dabei haben Sie eine Begleiterin, die sich um beide kümmert – wach, sozial engagiert und ein wichtige Stütze für beide. Überhaupt mag ich die Frauen, die hier viel Platz einnehmen, sehr. Durchaus kann man bei einigen von emanzipierten Personen sprechen.
Es gibt dann noch 2 Nebenfiguren, deren Rollen mir nicht so ganz klar wurden, ich fand Sie bisweilen etwas nervig. aber wir erfahren durch diese beiden etwas über die Chirurgie der damaligen Zeit.
Die Beziehung aber, um die sich der Hauptteil der Geschichte dreht – also außer der Beziehung zur Landschaft von Essex – ist die Beziehung zwischen Cora und dem Pfarrer des kleinen Örtchens auf dem Land. Aldwinter.
In der Beschreibung lesen wir das es besonders um die zwei Einstellungen der beiden gehen soll. Der Religion und der Wissenschaft. das tut es durchaus, aber der Pfarrer ist doch ein ziemlich offener Geist und jung genug um sich mit neuen Denkansätzen zu befassen. So wurde ich dann diesbezüglich ein wenig enttäuscht.
Am Ende ist einiges verloren gegangen, hat sich anders entwickelt als gedacht, und vieles scheint in der Geschichte Anfang und End e gefunden zu haben.

„Anmutig und intelligent“ erzählt… so heißt es auf dem Buchrücken. Mir hätte ein bisschen weniger Anmut ganz gut gefallen, ein bisschen mehr Spannung. Wobei die Küste schon sehr gut beschrieben ist und die Schlange von Essex wohl die größte Überraschung bietet, neben dem leichten Grusel und der Aufregung, welche die Bürger überfällt. Und das sehr gut zu spüren ist durch die Zeilen.
Ach und um Liebe geht es auch, an vielen Stellen zwischen allen möglichen Personen, auf alle möglichen Arten.
Das Buch ist sicher eine ganz gute Abend- oder Urlaubslektüre. Nicht zu fordernd, nicht zu heftig, und durchaus unterhaltsam. Ich denke er braucht etwas um seine wirkung zu entfalten. Was der Autorin sehr gut gelungen ist, wie ich finde, Sie versetzt einen ganz wunderbar in eine andere Zeit.

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Sarah Perry
Die Schlange von Essex
Übersetzt von Eva Bonné
Eichborn Verlag, 24,- €

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Sarah Perry wurde 1979 in Essex geboren und lebt heute in Norwich. Ihr Roman Die Schlange von Essex war einer der größten Überraschungserfolge der letzten Jahre in England. Ausgezeichnet als Buch des Jahres 2016 der Buchhandelskette Waterstones, Gewinner des britischen Buchpreises 2017 für den besten Roman sowie für das beste Buch insgesamt. Der Roman war nominiert für den Costa Novel Award, den Dylan Thomas Prize, den Walter Scott, den Baileys und den Wellcome Book Prize.

Die Grüne Grenze

Ich machs kurz, meins war es nicht. Ich habs ziemlich lang probiert aber ich fand das Buch, soweit ich es gelesen habe, furchtbar träge. Im Buch geht es um ein Künstlerpaar, welches im Grenzgebiet der DDR wohnt und eine kleine Tochter hat. Die Mutter bzw. Schwiegermutter auch in der Nähe.
Unglaublich zäh wand sich die Geschichte, die sich im ersten Teil vorallem um den Mann und jungen Vater dreht.
Im nächsten Stück ging es um die kleine Tochter. Hier stieß mir sehr auf wie furchtbar altklug und wenig kindlich dieses Mädchen dargestellt wurde. Das ist mir auch bei anderen Büchern und Schilderungen von Kindern schon aufgefallen, das so etwas selten gelingen.
Wenn ihr positive Beispiele habt schreibt mir doch etwas in die Kommentare.

Eigentlich hatte ich mich bezüglich der Thematik (DDR, Grenzgebiet, Geschichte) sehr auf das Buch gefreut, auch wenn ich irritiert war das es von einer US Amerikanerin geschrieben wurde. Was ja durchaus auch neugierig macht.
Ich hab jetzt leider nicht so ganz die Titel parat, aber kann es sein das das Thema grade sehr beliebt ist bei amerikanischen Autoren und Autorinnen? Ja manchmal hilft vielleicht der Abstand, wenn man also nicht involviert war, aber ich glaube hier nicht unbedingt. Vielleicht bin ich auch zu voreingenommen. Faszinierend ist die Geschichte der deutschen Teilung natürlich schon. Zu be_greifen allerdings recht schwierig wie ich finde.

Bei anderen scheint das Buch sehr gut anzukommen. Im unten verlinken Radiobeitrag wird es „poetisch“ geannnt – nun Poesie fand ich für mich nicht. Aber wie es eben so ist, die Empfindungen für Bücher bleiben subjektiv, auch wenn es sicher ein paar Eckpunkte gibt an denen man gute Bücher bzw. gute Geschichten festmachen kann. Ich denke es hätte durchaus bessere Kandidaten gegeben für die Nominierung zum Leipziger Buchmessepreis: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/preis-der-leipziger-buchmesse-isabel-fargo-cole-und-esther-kinsky-nominiert-a-1192423.html gegeben.

Mich wundert es immer noch das ich grade Bücher die für Preise nominiert sind oft gar nicht so mag. Und ja, leider kann ich hier keine Empfehlung aussprechen

http://www.deutschlandfunk.de/isabel-fargo-cole-die-gruene-grenze-poetische-landnahme-im.700.de.html?dram%3Aarticle_id=408757
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Isabel Fargo Cole
geboren 1973 in Galena, Illinois, wuchs in New York City auf. Sie lebt seit 1995 lebt sie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in Berlin. Ihr nominierter Roman „Die grüne Grenze“ spielt in Sorge, einem Dorf in der Sperrzone der DDR, in das ein junges Künstlerpaar 1973 zieht.

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Die Grüne Grenze
Edition Nautilus
26,- €

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https://www.volksstimme.de/kultur/literatur-amerikanerin-veroeffentlicht-harz-roman

Die Zeit der Ruhelosen – Literatur aus Frankreich

Was rettet uns? Es sind die Bücher, die Literatur, die Worte…

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Fiktion um die Wirklichkeit zu erzählen. Zeitgeschichte aktuell. Katrine Tuil ist ganz nah dran, am Jetzt, flechtet immer wieder „echte“ Begebenheiten in Ihre Erzählung ein. Gleich am Anfang landen wir bei 9/11 und in einem Auszug einer Rede von George W. Bush. Meiner Meinung nach hätte es das nicht gebraucht, aber das grundsätzliche Thema deutet sich damit im weitestem Sinne an. Man steigt sofort und brachial in die Thematik ein. Es folgt eine Art innerer Bericht eines Soldaten der in Afghanistan stationiert war. Ich gebe zu, ich konnte das nur überfliegen, zu schrecklich sind viele Details des Kriegseinsatzes.

Der Soldat ist Franzose. Wie kurz zuvor in der Rede von Bush zu lesen war, nehmen viele Länder am Kriegseinsatz im „Namen“ der Terrorismusbekämpfung teil.
Karine Tuil gelingt es eindringlich vom Krieg zu schreiben und vor allem auch davon, wie ein Soldat seine Einsätze erlebt und wie das Leben für ihn nach solchen Einsätzen weitergeht. Die Entfremdung vom „normalen“ Leben, das „nicht-vergessen-können“, die Bilder der Gewalt und Brutalität des Krieges ins Gehirn eingebrannt. Die Schuldgefühle, die Ängste, das Misstrauen und die Schreckhaftigkeit. Das sich „nicht mehr einstellen können“ auf ein Leben im Frieden.

Doch da ist auch ein Funken Hoffnung auf Trost, Rettung und eine Art Heilung, inform von körperlicher Nähe und Liebe. Der Rausch, den man nur mit jemand anderem zusammen finden kann. Leidenschaft, die eine ganz besondere Intimität entwickelt, einen Halt, ein sich verlieren im positiven Sinne, ganz nah an einem anderen Menschen, der auf seine eigene Art genauso empfindet. Romain Roller ist der Name des Soldaten. Und er trifft auf dem Weg aus dem Krieg auf die Schriftstellerin Marion Decker.

„Die Zeit der Ruhelosen“ ist ein 500 Seiten Werk, welches mich immer wieder staunen ließ. Es blieb durchgängig spannend und endet in einer fulminanten Implosion der angesprochenen Themen, und das sind nicht wenige. Absolut gekonnt und stilvoll wechselt die Erzählung zwischen den vier Protagonist*innen*en hin- und her, was zusätzlich noch eine ganz eigene Dynamik und Spannung aufbaut. Ich erinnere mich nicht, jemals solche phantastischen Übergänge gelesen zu haben. Als Leser*in gleitet man von der einen Person und ihrer Geschichte zur Anderen, ein regelrechtes aus- und einblenden, mit kleinen Überlappungen, die für mich immer wieder betonen wie doch jeder Mensch, verbindende und ähnliche Themen hat, bzw. sich in einer Geschichte etwas von der einen Seite wiederfindet und in der nächsten Geschichte von der anderen Seite, aber eben ein Thema. Sehr prickelnd für mich als Leserin.

„Während sie von traumatischen Verlusten, Kampfhandlungen und Konflikten mit internationalen Verästelungen erzählten, tobte in seinem Inneren ein völlig anderer Krieg.

Angst. Schon wieder nahm sie Romain die sicht, umgab ihn wie einen diffuser Nebel, blockierte seine Atemwege, behinderte seinen Gedankenfluß, sein Gehirn trübte sich ein, die Konzentration sank rapide… „

S: 100 – der erste Satz gehört zu Osmans Geschichte, der zweite zu Romains, ich denke man kann es hier gut nachvollziehen was ich meine.

Die Verbindungen verflechten sich im Laufe des Buches immer mehr, die Personen kommen sich immer näher, bis Sie am Ende alle auch live aufeinandertreffen. Mitten in einer gefährlichen Zone im Irak. Und wir bekommen immer mehr Einblick, nach und nach, erfahren Geschichten aus dem Hintergrund. Begreifen hier noch direkter als im Fernsehen oder Internet wie der Schrecken des Krieges, der Kleinen und der Großen, in unserer Welt zur Normalität gehören, die wir in den Friedenzonen natürlich besser ausblenden können.
Besonders interessant ist das bei der Figur Osman Diboula, der Politiker, der es, aus einfachen Verhältnissen stammend, vom Streetworker zum Vertreter seines Landes schafft. Karine Tuil erzählt hier nicht eine Story des „alles ist möglich“, sondern zeigt die Komplexität von Zufällen, Glück, harter Arbeit und der Funktionsweise von Politik und Macht auf, wirklich fabelhaft wie sich diese Storyline entwickelt.

Ähnlich wie die des Geschäftsmannes François Vély, dessen Leben ab dem Zeitpunkt der Erzählung immer weiter in den Untiefen von Machtspielen, Verleumdung, und Rassismus versinkt. Und grade hier begegnen wir immer wieder dem Brachialen und der Gewalt, welche die Autorin schon am Anfang des Buches als tragende Säule ins Spiel bringt. Entsetzlich auch wie der Lebenslauf von François sich punktuell deckt mit seinen jüdischen Vorfahren und ihm großes Leiden nicht erspart bleibt, das hat mich sehr betroffen gemacht beim Lesen und ist grandios geschildert.

Ungeschönt und ernsthaft tauchen wir in diese Geschichte, diesen Teil auch unserer Wirklichkeit, ein; bis alles kulminiert. Heftig und extrem schmerzhaft. Die Brutalität des Krieges und das lange leiden daran, zeigt sich an vielen Stellen. Und genau darauf wirft Katrine Tuil das Scheinwerferlicht. Unbarmherzig, ohne Weichzeichner und ohne etwas auszusparen. Ein Buch dem die 500 Seiten sehr gut stehen, keine scheint zuviel zu sein.

Eine Nebenfigur, der Vater von François, Paul Vély weiß am Ende Rat, vor dem Hintergrund eines langen Lebens. Einer davon sagt:

„Man muß das Leben wählen“

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Die Zeit der Ruhelosen

Karine Tuil

Übersetzung aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff

Ullstein Verlag

24,- €

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Interview:

http://www.resonanzboden.com/satzbaustelle/interview-karine-tuil-fiktion-realitaet/

Karine Tuil,
wurde als Tochter tunesischer Juden, 1972 in Paris geboren und lebt dort heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Sie studierte Kommunikations- und Informationswissenschaften sowie Recht an der Universität Panthéon-Assas. Sie hat zehn Romane veröffentlicht, deren Figuren sich mit sozialen, politischen, juristischen und ethischen Fragen auseinandersetzen.

 

 

Übersetzerin: Maja Ueberle-Pfaff,

geboren am 25. März 1954 in Karlsruhe, seit 1992 freiberufliche Literaturübersetzerin, Autorin und Herausgeberin

http://www.maja-ueberle-pfaff.de

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Ich empfehle zur Ergänzung das Fluter Heft Frankreich

www.fluter.de/heft62

 

Schlechte Gesellschaft

Ein Generationenroman sozusagen. Verschiedene Zeitschienen und eine Familie der Frauen. Die Autorin für mich eine Neuentdeckung und auch ihr erstes eigenes Buch. Ich frage mich was biografisches in der Geschichte steckt. Denn in „Schlechte Gesellschaft“ geht es um Papiere eines Schriftstellers, um seinen Nachlass. Und Katharina Born, die Autorin, hat selbst vor diesem Roman das Werk ihres Vater herausgegeben.
Im Roman gibt es eine Judith die auch sehr gern überraschend gefundene Papiere des Vaters verlegen möchte. Dieser Vater und sein schreiben, sowie sein Jugendfreund spielen eine wichtige Rolle im Leben der Frauen Judith, ihrer Mutter Hella und auch ihrer Tochter Alexia.
Am Anfang war ich nicht sehr begeistert schon wieder so eine Geschichte die ständig zwischen den verschiedenen Zeiten hin- und her springt, und ich hab auch zwischendurch immer mal vorblättern müssen, weil ich zu neugierig war wie die entsprechende Zeitschiene weiterging. aber ich muß sagen es war sehr spannend, das ganze Buch lang.

Ich kann gar nicht so genau sagen was mich an dem Buch so gefesselt hat. Es ist aufjedenfall sehr gut erzählt. Die Figuren machen neugierig. Man folgt auf einer Seite den Frauen durch die Jahrzehnte, und andererseits Andreas Wieland, einem Doktoranden, der eben die Papiere des Schriftstellers sozusagen entdeckt und großes vermutet.

Auch ein Ort, ein Dorf um genau zu sein, namens Sehlscheid spielt eine große Rolle – wie die Bühne im Theater präsentiert sich Schlußendlich alles hier. Das schwere Leben der bäuerlichen Vorfahren, die Verheiratung, das Gebären und sterben der Frauen. Das ankommen und heimkehren der Männer. die Nach- und Vorkriegszeit, die Verwandlung in ein Dorf erst voller Nationalsozialisten und dann voller Besatzer. Spät einkehrender Wohlstand. All die großen und kleinen Vergehen, Verbrechen, Kuppeleien werden hier aufgeführt. Zwischendurch gibt es immer wieder etwas heftige Szenen die mich als Leserin doch etwas mitgenommen haben.

Es ist schon erstaunlich was alles in diesem Roman erzählt wird und wieviele Personen die Autorin lebendig entstehen läßt. Wie Sie vieles kurz aber prägnant in den Raum setzt, der sich sofort füllt mit inneren Bildern. Richtig gut. Das Ende fand ich erst nicht so glücklich, aber als ich es verdaut hatte mußte ich schon sehr grinsen, wie das Leben eben manchmal so ist, nicht glatt, nicht gradlinig und wenig vorhersehbar.

Ein richtig gelungener Roman und freue mich auf weiteres von der Autorin.

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Katharina Born

Schlechte Gesellschaft

Eine Familiengeschichte

Hanser Verlag, 19,90 €

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Katharina Born, geboren 1973 in Berlin, deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Herausgeberin. 2007: Literaturpreis Ruhr, 2008: 2. Preis des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises der Stiftung Lesen für eine Rezension in der Jüdischen Allgemeinen, 2008: Georg-K.-Glaser-Preis des Landes Rheinland-Pfalz für die Erzählung Melsbacher Hohl, 2009: Ernst-Willner-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für die Erzählung Fifty-fifty, 2010 Jahrestipendium des Landes Niedersachsen

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Bild:

Katharina Born 2010 Copyright: Peter-Andreas Hassiepen

noch etwas persönliches über die Autorin:

http://www.deutschlandradiokultur.de/das-erbe-des-vaters.1153.de.html?dram:article_id=182436

 

Man soll leise, anständig und fromm bleiben

Schenk_25331_MR.inddSchwere. Gewicht.  Gewicht haben. Gewichtung.

Ein Leben das Gewicht hat, oder ein Leben welches schwer ist durch die Last…?

Wo bleibt die Hoffnung? Was macht das Leben eigentlich aus? Wo ist die Lebendigkeit und wo der Sinn?

Schnell, dein Leben“ – ja hier vergehen sie wie im Flug die Jahre eines ganzen Lebens.

Ein Buch wie eine Scherbe, bruchstückhaft, mit scharfen Kanten. Geschichten über Nachkriegskinder.

Eine Erzählung über einen Lebenslauf zwischen Frankreich und Deutschland, über die Sprache und das Schweigen. Über ein wenig Nähe und viel Distanz.

„Du wälzt dich noch lange in deinem Bett. Das Gefühl, nicht wirklich zu existieren, gründet vielleicht darin, dass du keine Geschichte hast, du hängst in der Luft wie eine erdlose Pflanze, du weißt nichts von der Herkunft deiner Mutter, und dein Vater scheint nicht wirklich zu seiner Familie zu gehören…“

Und genauso schreibt Sie auch die Erzählerin, bzw. so erzählt sie… ich weiß nicht ob die Erzählerin auch die Autorin ist – selbst 44 in Frankreich geboren, später nach Deutschland gekommen, wo sie knapp 30Jahre später anfängt auf Deutsch zu schreiben.

Seltsam modern die ganzen Fragen in dieser Nachkriegsgeschichte, Fragen die auch die Kriegsenkel heute haben. Und dann dieses „Du“ – was erst Abstand schafft zwischen Erzählerin und Geschichte oder vielleicht eben auch dieses „in der Luft hängen“ zeigt und am Ende doch beiträgt zu einer Art Identifikation für den/die Lesende(n).. das Du das kann auch Ich sein.

Du bist, Du tust, Du denkst… später noch ein „Er“ und ein Mann.

„Man soll leise, anständig und fromm bleiben, immer das Richtige tun, das Richtige wird von den Eltern vorgegeben..“

Schlußendlich scheint es mir keine Freiheit zu geben in dieser Geschichte.

Das Du, ein Mädchen, aufgewachsen in den 50igern im ländlichen Frankreich, schafft es als junge Frau entfernt von der Familie zu studieren. Sprache, Literatur sind ihre Themen. Aber auch das Miteinander, Freundschaft, Liebe, das Leben als Frau. Sie lernt neue Menschen kennen, neue Musik, andere Arten zu leben.  Ein junger Franzose mit schweren Gewichten und ein deutscher Austauschstudent haben es ihr angetan. Es geht viel um die Beziehungen untereinander, um Freundschaft, das freie Leben, die Vergangenheit. Um die verschiedenen Gewichte, die sichtbaren und die unsichtbaren. Und um den Weg ins Leben und die Zukunft.

Später heiratet Sie, noch sehr jung, nach Deutschland. Und lernt dort nach und nach die deutsche Familie ihres Mannes kennen. Das Leben geht seiner Wege. Geschichten werden sichtbarer, Menschen verändern sich, es gibt Nachwuchs, …und doch bleiben die Dinge irgendwie in ihren Rahmen gefügt.

„Äußerungen werden überhört, Traurigkeit ist ungehörig, Klagen sind eine Todsünde..“ das kennen sicher sehr viele von uns. Ich denke ein großer Schritt ist es, das so erstmal wirklich zu erkennen.

Ein schweres Buch – eines mit Gewicht. – zur Unterstützung in kleine Kapitel aufgeteilt

dscn7402Skizze „..auf das Gesicht der Mutter, das sich schüttelt und abwendet…
ihr, die Mädchen, seid die Zeltheringe, ihr haltet euer Haus fest…“

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Sylvie Schenk

Schnell, dein Leben

Hanser Verlag, 16,- €

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Was ich leider wieder bemängeln muß ist der Buchrücken und der Klappentext, die den Dingen in der Geschichte eine falsche Gewichtung geben.

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http://www.sylvie-schenk.com

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