Ein Ausflug nach Brandenburg


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Hier ist die Protagonistin Biologielehrerin und betrachtet wirklich alles mit einem biologistischem Blick, das ist ziemlich herb und selten liebevoll, aber grandios geschrieben. Die Kargheit und Weite des Brandenburgischen trägt die Geschichte mit und auch die Hauptfigur. Ein phantastisches Buch.

„Der Hals der Giraffe“, viele LeserInnen meinen, dass auch hier „nichts“ erzählt wird. Aber ich empfinde dieses Buch viel mehr als eine Verdichtung oder auch meditative Auffächerung 3er Tage der Frau Lohmark. So dicht wie „Der Hals der Giraffe“ erzählt ist, kenne ich nur wenige Bücher, für mich echte Literatur. Natürlich ist es einen Gedanken wert, ob es sich wirklich um einen Roman handelt. Aber das Wort „Bildung“ im Begriff Bildungsroman stimme ich voll zu. Bildung im Sinne von Selbsterforschung bzw. Analyse anhand von „Fakten“.

Gelebter Darwinismus

Inge Lohmark, die Protagonistin des Romans, ist Biologielehrerin an einer Schule in einer Kleinstadt in Vorpommern. Ihr Tage als Lehrerin sind gezählt. Denn es fehlen die Schüler in einem Landstrich, der von Abwanderung geprägt ist. Was durch Judith Schalansky einprägsam beschrieben wird. Darwinismus und dessen Anwendung auf ihre kleine Welt prägen das Denken und Handeln von Frau Lohmark.

Dieser Bildungsroman ist phantastisch. Bildungsroman, das passt in mehrfacher Hinsicht. Und selten habe ich einen Roman gelesen, in welchem der/die Schreibende so hinter der Hauptfigur verschwindet. Aber vielleicht ist das auch nur eine Mutmaßung, denn ich kenne Frau Judith Schalansky ja nicht. Wir werden beim Lesen Zeugen von Frau Lohmarks Gedanken, die so nahtlos in alle geschilderten Gespräche einfließen, dass es oft schwierig ist, beides auseinanderzuhalten. Was dem Roman aber überhaupt nicht abträglich ist, sondern Frau Lohmark und ihre Welt für den Leser nur noch verdichtet.

Fehlende Gefühle

Was man von Inge Lohmark erfährt, sind auch hauptsächlich ihre Gedanken – gefühlskalt wäre eine treffende Bezeichnung für ihre Person. Wenn nicht so überaus klar wäre, dass es nicht die Gefühlskälte ist, die Frau Lohmark beherrscht, sondern eher das Fehlen von Gefühl und einer eigenen Sinneswahrnehmung. Sie erklärt sich alles, aber auch wirklich alles, über Ihre ganz eigenen Ansichten vom Überleben des Stärkeren, im Sinne der sich anpassenden Natur. Eine Anpassung, um in einer sich verändernden Welt zu überleben. Was Sie selbst für sich in keiner Weise schafft.
Erstaunlicherweise stelle ich das erstmal so auch gar nicht in Frage, und frage mich auch nicht warum Frau Lohmark so ist. Heute würde ich sagen, es scheint ein Trauma zu wirken, anders sind die fehlenden Gefühle, also diese Unfähigkeit für mich schwer zu erklären. Aber so normal Trauma in unserer Welt ist, so selbstverständlich ist einfach das Inge Lohmark so ist.

Einprägsam, wunderschön

Schalansky hat so vieles in kurzen Abschnitten, wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Auf Frau Lohmarks Punkt wohlgemerkt. Ein sehr eigentümliches Buch. Ein sehr eigene Welt und ein sehr einprägsames Buch, wie ich es vorher noch nicht gelesen habe.

Außerdem wunderschön: Der Leineneinband mit Prägedruck.

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„Der Hals der Giraffe“
Judith Schalansky
Suhrkamp

Leineneinband ca. 20,00 €
als Taschenbuch für 10,00 €

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Text und Leseerfahrung von 2012 – überarbeitet 2021 / Habe das Buch für meinen Naturewritingkurs rausgesucht und kann es wirklich nur empfehlen.

Heeme – ein Heimkehrerinnenbuch

„Heeme“, eine Mischung zwischen Erfahrungsbericht und Kurzroman. Ich habs direkt von der Autorin bekommen, mit Widmung. Sowas freut natürlich immer ganz besonders. Stephanie Auras-Lehmann kommt aus dem Spreewald und war selbst lange fern der Heimat. Sie ist eine aus der Generation, die in der Kindheit/Jugend die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt hat. 1982 wurde sie geboren. In der Geschichte von „Heeme“ verarbeitet sie eigene Erlebnisse und Erinnerungen aus der Zeit nach der „Wende“ bis zu ihrer eigenen Heimkehr 2009 nach Finsterwalde. Dort hat Sie inzwischen eine Rückkehrerinitiative für den Landstrich Elbe-Elster aufgebaut.

Die Protagonisten haben alle sehr lustige Namen, und es ist durchaus ein leichtes Buch was sich sehr gut lesen läßt – mit einer Überarbeitung wäre es bestimmt auch was für einen Verlag der Bücher in einfacher Sprache rausbringt. Da fehlt nämlich noch jede Menge Literatur.

Die Heldin der Geschichte hat einen typisch Ostdeutschen Namen: Peggy 😉 und bleibt irgendwie übrig nach dem Schulabschluss im Osten. Alle anderen haben die Heimatstadt schnell verlassen, denn dort gibt es so gut wie keine Zukunft, sprich Ausbildungsstellen. Irgendwann packt es dann auch Peggy, und sie macht sich auf in die neue weite Welt. Die Möglichkeiten beim Schopfe packen. Da heißt es erstmal „sich zurecht zu finden“, die westlichen Gepflogenheiten kennenlernen und sich ganz neu eingewöhnen. So richtig Freunde findet Peggy aber nicht, und man merkt sie hängt an der Heimat. Doch das leben meint es auf eine andere Weise sehr gut mit ihr und Sie macht Karriere – allerdings mit so einigen Hürden und nicht immer erfreulichen Ereignissen. Aber sie schlägt sich tapfer durch und bleibt am Ball und kommt weit. Und zwar bis hinüber über den großen Teich: New York.
Doch daheim im ruhigen Städtchen wartet der Freund und irgendwann muß Peggy sich entscheiden.

Wofür sie sich entscheidet ist klar, wenn man den Untertitel liest. Manch einer wird sie für verrückt erklärt haben und nunja, im Osten stehen die Chancen bis heute ja nicht gerade zum besten wenn es um das Thema Arbeit geht. Und will man denn nicht gerade als junger Mensch die Welt erkunden?

Stephanie hat mir vorne ins Büchlein geschrieben „Rückkehren verbindet“, dem kann ich nur von Herzen beipflichten. Ich hab beim Lesen auch gleich die Verbindung gespürt, auch wenn ich älter bin und früher weg bin und schon nach dem Studium zurückkam.
Das hat auf jedenfall etwas mit dem Thema Heimat zu tun – auch wenn auf mich jetzt weder Liebe noch Eltern gewartet haben – dafür die Großeltern. Im Laufe der Jahre hat es mich schon immer wieder auch verwundert wo es überall sächsische Enklaven gibt und wieviele jüngere Menschen Woche für Woche zwischen Ost- und Westdeutschland pendelten. Jemand der bis New York gekommen ist, kenne ich allerdings nicht.

Wir leben heute in einer Welt, in der Familien oft verstreut sind und auch Freunde selten am gleichen Ort wohnen. Die Welt ist verdammt groß geworden. Es gibt durchaus viele Möglichkeiten, wenn man sie denn findet, oder das Geld dazu hat. Denn es hat immer auch mit Glück zu tun wie weit man kommt und was man damit anfangen kann. Viele können auch nur in die Ferne schauen, und sehnen sich vielleicht gerade deshalb besonders danach. Doch wenn man die Welt auch weiter weg kennengelernt hat sieht man die Heimat oft nochmal mit anderen Augen. Spätestens wenn es ans Famlie gründen geht überlegt man sich doch wohin, grade wenn man Familie hat mit der man sich auch versteht. Großeltern sind doch sehr hilfreich für die Kinder und auch alte Freunde sind schon was besonderes.
So kehrt manche*r wieder Heim und ist Glücklich damit und bestenfalls bringt die Person auch noch was mit, wie Stephanie Auras-Lehmann ihre Geschichte und ihr Projekt für Heimkehrer*innen.

Stephanie Auras-Lehmann

Heeme
14,99 €

https://www.heeme-buch.de/

 

Pirasol

Pirasol – das ist im Roman eine alte Villa. Das Zuhause der alten Gwendolin. Sie lebt schon eine ganze Weile hier. Früher mit dem viel älterem Ehemann und dem Sohn, der eine inzwischen tot, der andere lange fort. Die alte Dame ist aber nicht allein. Sie hat sich, wie schnell klar wird leider, auf eine Mitbewohnerin eingelassen. die Mitbewohnerin ist um einiges Jünger und schaltet und waltet sehr bestimmend. Gwendolin fühlt sich überhaupt nicht wohl damit.
Dieser Geschichtenstrang zieht sich vom Anfang bis zum Ende durch das Buch und ist ein ziemlich angespannter Strang, mir wird am Schluß schon ganz hibbelig, so gespannt bin ich auf die Auflösung.
In den Zeiten dazwischen erinnert sich Gwendolin an ihre Zeit die Sie in Pirasol verbracht hat, aber auch an ihre Kindheit und Jugend im Krieg und vor allen den Nachkriegsjahren.

„…und sich gewundert hatte, warum er nur Papier ohne Zeilen benutzte und sich weigerte, seine Schrift auf gezogenen Linien abzulegen.“

Die ganze Geschichte hat etwas schleifendes, so wie das Leben Gwendolin geschliffen hat, wird auch der Leser geschliffen. Es fiel mir schwer das mitzumachen und durchzuhalten. Denn zwischendurch stopp es kurz und dann wird neu angesetzt. alles wird mehrfach aufgegriffen, jedesmal geht es ein Stück tiefer und Häppchenweise erfahren wir was in der Vergangenheit passiert ist.
Erfahren wie Gwendolin ihre Eltern verlor und in welcher bangen Hoffnung sie nach dem Krieg grade so überlebt.
Es scheint Sie ist erstarrt durch das was Sie schon früh erlebt hat. In ihrer Ehe wird das Ihr und dem gemeinsamen Sohn zum Verhängnis.
Was macht man nun mit diesen Erfahrungen, die einen still werden ließen. Was macht man jetzt im hohen Alter mit diesem Leben?

„… und Gwendolin spürte, wie sie sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete: die Einsamkeit, wenn man andere Menschen zueinander geführt hatte.“

Susan Kreller hat eine feine angenehme Sprachmelodie in den Roman gewirkt, immer wieder webt sie kleine Poesien sein, die viel Atmosphäre erzeugen. Eine echte Stärke des Romans. Er hat mich sehr berührt und so manches mal sind mir die Tränen gekommen, was mir eher selten beim lesen passiert.
Beim schleifenden der Geschichte bin ich mir nicht scher ob es ein ausgefuchstes Stilmittel ist, welches uns immer mehr hineinziehen soll oder ob es nicht eine Schwäche in der Erzählung ist? Zwischendurch empfand ich es schon durchaus auch als lästig und hätte mir gewünscht das die Dinge mit einem mal „erledigt“ werden und nicht zwei-, dreimal wieder angefasst werden um dann doch noch wieder neues zu offenbaren. Ja ich denke man hätte die Geschichte auf weniger Seiten erzählen können und es hätte ihr vielleicht auch gut getan. Aber ich glaube dann wäre nicht diese besondere Stimmung zu Tage getreten. Welches Leben läuft schon gerade? Was gelingt schon im ersten Anlauf? Und ja, wie vieles gelingt nie?

„..und der das, was war, in aller Lautstärke vergaß.“

Worüber ich froh war, das war das versöhnliche Ende, welches ich Gwendolin auch aus tiefstem Herzen gegönnt habe.
Pirasol ist ein besonderes Buch und birgt eine Geschichte in die man eben durch die Erzählweise tief einsteigt, eine Geschichte die in Erinnerung bleiben wird. Ein kleiner Wermutstropfen, auch wenn es die Geschichte von Gwendolin ist, dreht sich doch sehr viel mal wieder um die Männer, erst den Vater, dann den Ehemann und später den Sohn. Die Frauen bleiben zu oft Randfiguren, sehr schade.

„Er lachte, weil es seine Art zu weinen war … und wie sie selbst weinte, indem sie nicht mehr weinte“

Näheres zum Inhalt:

Das Mädchen was von einer Nachbarin gerettet wird, unter Umständen die ihr das fühlen abgewöhnen. Umstände die viel Kraft kosten um sie zu überleben. Der Vater der aus dem Krieg heimkehrt, mit dem das Mädchen in seiner Abwesenheit all die Bücher geteilt hat, die eigentlich längst verbrannt sein sollten. Bücher die das Mädchen nie vergessen wird, und die auch ihr Sohn ganz heimlich entdeckt, viel viel später. Bücher spielen eine große Rolle und haben sehr viel zur Rettung beigetragen – ich kenne das. Bücher die einen sich selbst wiederfinden lassen. Bücher die trösten oder neue Welten zeigen. Bücher die ein Heimatgefühl oder Geborgenheit schenken. Bücher auch in Form von Buchläden als Zufluchtsorten und Buchhändlern als Vertraute.
In der Erstarrung und Einsamkeit findet Gwendolin ein aufgewecktes paar graue Augen und lässt sich davon einnehmen. Lernt das Haus Pirasol kennen und verliebt sich sofort. Die Ehe wird ein Alptraum, die grauen Augen werden hart und bitter und lassen besonders am gemeinsamen Sohn alle Bösartigkeiten und Demütigungen aus. Strafen Gwendolin mit einer Kälte die Sie weiter in einer stummen Erstarrung verharren lässt. Der Widerstand so zart und leise das er nur für sehr kleine Glücksmomente reicht. Für ihren Sohn reicht es nicht.

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Pirasol
Susan Kreller

Piper/Berlin Verlag
Hardcover 20,- €  / Taschenbuch 11,- €

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Ein Auszug aus dem Roman erhielt den GWK- Förderpreis 2014
Susan Kreller: Geboren 1977 in Plauen, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über englischsprachige Kinderlyrik. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie 2012 mit dem Jugendbuch »Elefanten sieht man nicht« bekannt. Sie erhielt unter anderem das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium, den Hansjörg-Martin-Preis (2013) und 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis für »Schneeriese«. Sie arbeitet als Schriftstellerin, Journalistin und Literaturwissenschaftlerin

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zum reinhören
https://www1.wdr.de/kultur/buecher/susan-kreller-pirasol-104.html

Ein deutscher Sommer – Peter Henning

Diese Begebenheit wurde jetzt verfilmt und läuft auf der ARD, mal schaun worauf der Schwerpunkt liegt.

reingelesen

DSC04084Vor 3 Tagen habe ich „Ein deutscher Sommer“ beendet – hatte mir am Wochenende ganz viel Lesezeit gegönnt, und das Buch ist auch eins das man schwer weglegen kann. Ich habe es oft vorm einschlafen gelesen, kann ich nicht so empfehlen, ich bekam nämlich Alpträume. Ist ja auch eine grauslige Geschichte, die allerdings wirklich richtig gut in diesem Roman erzählt wird.

Peter Henning läßt der Geschichte den Respekt entgegenkommen die dieser Roman auch braucht um überhaupt aufschreibbar zu sein. Es gab damals in Gladbeck Todesfälle wie den italienischen Jungen der versuchte seine kleine Schwester zu beschützen, und die bekannteste Geisel Silke Bischoff. Kein einfacher Ausgangspunkt. Doch die Pietät die ich mir bei solchen Themen immer wünsche ist hier gegeben.

Im Grunde erzählt Henning die Geschichte auch mit vielem was drumrum stattfand und hätte stattfinden können. 4 Jahre recherchierte er, der selber im Bereich Journalismus 20 Jahre tätig war, dafür. Und…

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Zwei Schwestern

Petra Oelker erzählt in „Zwei Schwestern“ von der Reformationszeit in Hamburg – passend zum Lutherjahr.
Vor diesem Hintergrund läßt Sie das Leben damals so wunderbar lebendig werden und erzählt von zwei sehr unterschiedlichen Frauen, deren Leben sich erstmal kaum berührt. Die eine noch jung, schon als Kind ans Klosterleben gewöhnt und als Nonne bislang gut aufgehoben in einem katholischem Orden, der nicht mehr lang Bestand hat, denn die Hamburger Bürger haben sich entschlossen der Reformation zu folgen. Die andere Frau schon alt, verwitwet und durchaus wohlhabend, lebt in einem eigenem Haus auf dem Hof des Sohnes und folgt für damalige Verhältnisse sehr der eigenen Nase. Beides sehr sympathische Figuren, die es trotz des relativen Wohlstands, als Frauen zu dieser Zeit, nicht einfach haben.

Nach diesem Buch bin ich entgültig ganz großer Fan von Frau Oelker und finde es außerdem sehr schön das Rowohlt das Büchlein festgebunden mit Leinenrücken und einigen kleinen Zeichnungen herausgegeben hat. Liebevoll gesetzt – die kleinen Details machen einfach was aus. Ein wirkliches hübsches Geschenkband. Ich hatte letztes Jahr dieses Buch hier schon vorgestellt – ein richtig dicker historischer Schmöker.

Man könnte meinen die Geschichte wäre leichte Unterhaltung, aber ich lese durchaus eine kritische Stimme durch die Zeilen hindurch, was das Buch noch gehaltvoller und runder macht. Hier wird nichts beschönigt, sondern die Zeit meiner Meinung nach sehr lebensecht aufgezeigt. Ich war schon zwischendurch immer wieder sehr begeistert was alles in der Geschichte steckt. Die Erzählung beginnt 1533 im Mai. Wir erfahren viel über das Klosterleben, etwas über die Medizin der damaligen Zeit, über Heilpflanzen, über den Kaufmannsberuf, das Familienleben und eben die Vorgänge der Reformation und dem Frauenleben damals. Die Autorin ist dem Norden Deutschlands ganz treu, ich glaube ihre meisten Büchern spielen dort. Die Geschichte basiert auf Recherchen im Hamburger Archiv und einem dort gefundenem Testament. Welches auch am Ende des Buches eine wichtige Rolle spielt.

Ich hab so den Eindruck ich kann es gar nicht richtig wiedergeben was mich so fasziniert hat, aber es ist ein wirklich tolles Buch, man findet sich mitten in einer anderen Zeit wieder und fiebert mit den 2 Protagonistinnen mit, nebenbei bekommt man auch nochmal einen anderen Blick auf die Reformation, die leider auch sehr viel Zerstörungswut geweckt hatte … schon damals hatten die Menschen Schwierigkeiten neben dem einen auch etwas anderes zu akzeptieren.

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Petra Oelker

Zwei Schwestern

Rowohlt, 12,00 €

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Petra Oelker, Jg. 47, Autorin und Journalistin, hat schon sehr viel geschrieben und ist demnächst auch in Hamburg wieder live auf Lesetour zu erleben. http://www.petra-oelker.de/

Töchter einer neuen Zeit

Ein Hörspiel von der Autorin selbst gelesen, und das sehr gut. Die Lesung stimmt einfach. Die Geschichte umfasst eine lange Zeit vom Ende des 1. WK bis nach dem 2. WK. Es geht hauptsächlich um 3 Frauen und ihre Familien und natürlich um die Ereignisse dieser Zeit.

Sie sind welche von den Guten, wie meistens in diesen Geschichten aus dieser Zeit, das geht mir ehrlich gesagt so ein bisschen auf den Senkel bei solchen Erzählungen die den Nationalsozialismus streifen. Es gibt dort meistens sehr eindeutige Figuren. Schwarz oder Weiß. Trotzdem hat mich die Geschichte recht gut unterhalten. Allerdings hatte ich immer wieder das Problem die Frauen auseinander zu halten, so ganz hab ich den Überblick auch am Ende der Cd´s nicht gewonnen, und würde deshalb doch eher zum Buch raten oder zu einem sehr konzentriertem hören. Die Geschichte und Ihre Heldinnen finden aber sicher ihre Leser- bzw. Hörerschaft.
Die Box enthält 8 Cd´s mit einer Spielzeit von ca. 10h. Und leider nur ein sehr knappes Begleitblatt. Das hat mir eindeutig gefehlt, ein Begleitheft, wo man ja auch nochmal kurz die Hauptfiguren hätte vorstellen können. Im Mai erscheint nun der 2. Teil der Saga.

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Carmen Korn

Töchter einer neuen Zeit

Roman – Teil 1

Random House Audio

19,99 €

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Schlechte Gesellschaft

Ein Generationenroman sozusagen. Verschiedene Zeitschienen und eine Familie der Frauen. Die Autorin für mich eine Neuentdeckung und auch ihr erstes eigenes Buch. Ich frage mich was biografisches in der Geschichte steckt. Denn in „Schlechte Gesellschaft“ geht es um Papiere eines Schriftstellers, um seinen Nachlass. Und Katharina Born, die Autorin, hat selbst vor diesem Roman das Werk ihres Vater herausgegeben.
Im Roman gibt es eine Judith die auch sehr gern überraschend gefundene Papiere des Vaters verlegen möchte. Dieser Vater und sein schreiben, sowie sein Jugendfreund spielen eine wichtige Rolle im Leben der Frauen Judith, ihrer Mutter Hella und auch ihrer Tochter Alexia.
Am Anfang war ich nicht sehr begeistert schon wieder so eine Geschichte die ständig zwischen den verschiedenen Zeiten hin- und her springt, und ich hab auch zwischendurch immer mal vorblättern müssen, weil ich zu neugierig war wie die entsprechende Zeitschiene weiterging. aber ich muß sagen es war sehr spannend, das ganze Buch lang.

Ich kann gar nicht so genau sagen was mich an dem Buch so gefesselt hat. Es ist aufjedenfall sehr gut erzählt. Die Figuren machen neugierig. Man folgt auf einer Seite den Frauen durch die Jahrzehnte, und andererseits Andreas Wieland, einem Doktoranden, der eben die Papiere des Schriftstellers sozusagen entdeckt und großes vermutet.

Auch ein Ort, ein Dorf um genau zu sein, namens Sehlscheid spielt eine große Rolle – wie die Bühne im Theater präsentiert sich Schlußendlich alles hier. Das schwere Leben der bäuerlichen Vorfahren, die Verheiratung, das Gebären und sterben der Frauen. Das ankommen und heimkehren der Männer. die Nach- und Vorkriegszeit, die Verwandlung in ein Dorf erst voller Nationalsozialisten und dann voller Besatzer. Spät einkehrender Wohlstand. All die großen und kleinen Vergehen, Verbrechen, Kuppeleien werden hier aufgeführt. Zwischendurch gibt es immer wieder etwas heftige Szenen die mich als Leserin doch etwas mitgenommen haben.

Es ist schon erstaunlich was alles in diesem Roman erzählt wird und wieviele Personen die Autorin lebendig entstehen läßt. Wie Sie vieles kurz aber prägnant in den Raum setzt, der sich sofort füllt mit inneren Bildern. Richtig gut. Das Ende fand ich erst nicht so glücklich, aber als ich es verdaut hatte mußte ich schon sehr grinsen, wie das Leben eben manchmal so ist, nicht glatt, nicht gradlinig und wenig vorhersehbar.

Ein richtig gelungener Roman und freue mich auf weiteres von der Autorin.

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Katharina Born

Schlechte Gesellschaft

Eine Familiengeschichte

Hanser Verlag, 19,90 €

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Katharina Born, geboren 1973 in Berlin, deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Herausgeberin. 2007: Literaturpreis Ruhr, 2008: 2. Preis des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises der Stiftung Lesen für eine Rezension in der Jüdischen Allgemeinen, 2008: Georg-K.-Glaser-Preis des Landes Rheinland-Pfalz für die Erzählung Melsbacher Hohl, 2009: Ernst-Willner-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für die Erzählung Fifty-fifty, 2010 Jahrestipendium des Landes Niedersachsen

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Bild:

Katharina Born 2010 Copyright: Peter-Andreas Hassiepen

noch etwas persönliches über die Autorin:

http://www.deutschlandradiokultur.de/das-erbe-des-vaters.1153.de.html?dram:article_id=182436

 

Weibliches schreiben

Schon vor 2016 hat mich das Thema beschäftigt was ich eigentlich so lese. Wie ich feststellte war es viel amerikanische Literatur und vor allem Bücher die Männer geschrieben hatten. Franzen, Eugenides, Irving, Boyle, Murakami aber auch Suter, Schlink, Arjouni usw.

Mir fiel auf das ich wenig Literatur von Frauen las obwohl ich auch hier Favoriten habe wie Dörrie, Hustvedt, Allende, Niffenegger, Lewycka.

Dieses Jahr wurde ich wieder förmlich auf das Thema gestossen – es ging mehrfach um das weibliche Schreiben in den Büchern die ich las, Büchern von Autorinnen. Es ging vor allem aber auch darum, wie Sie hinten anstehn mit ihrem schreiben, als Ehefrauen und Mütter und Assistentinnen des Mannes, mit eigentlich anderen Aufgaben bedacht.
„Die Ehefrau“ hat mir noch einmal nachdrücklich zu denken gegeben – hier wird davon gesprochen wie die Frauen im Literaturbetrieb in der zweiten Reihe stehen. Und das bestätigt sich für mich wenn ich dorthin schaue wo es Wettbewerbe und Preise gibt, Literaturzirkel und andere Öffentlichkeiten. Ich schaue nun auch im Buchladen ein wenig anders hin.

Und eins, ich möchte mich diesem Vorsortierten nicht mehr automatisch aussetzen oder unterordnen. Wenn weniger Frauen zum Schreiben kommen, dann noch weniger veröffentlicht werden und dann auch noch schwieriger bekannt werden sind das ne ganze Menge Filter. Ich werde also expliziter nach Literatur von Frauen kucken und mein Lesejahr unter dem Motto „Literatur von Frauen“ angehen – so das auch hier in meinem Bücherregal ein wenig Ausgleich stattfindet.

Die Überlegung ist noch mich an die Buchhandlungen zu wenden und dazu anzuregen eine Ecke spezifisch für Literatur von Frauen zu reservieren, und zwar so, dass man sie sieht! Das macht wenig Arbeit, kostet nichts und unterstützt. Irgendein anderer Blog hatte das Thema auch aufgegriffen, weiß leider nicht mehr welcherdas Problem mit den vielen Tabs, ihr kennt es vielleicht.

Ein schönes Beispiel finde ich z.b. Die Schwestern, oder sagen wir ein trauriges Beispiel. Das Buch ist gut, die Geschichte ist gut und mir ist unklar warum ein Eugen Ruge In Zeiten des abnehmenden Lichtes gefeiert wird und niemand Judka Strittmatter erwähnt. Ein sehr bedauerlicher Fehler.

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Ein weiteres Thema ist auch das Thema deutsche Literaturdas, was man liest, prägt einen, und ich muß zugeben, oft habe ich mich in Neuengland, Main sehr zu Hause gefühlt, obwohl ich nie dort war, weil es immer wieder vorkam in meinen Büchern. Ich habe massenhaft Seiten gelesen über amerikanische Colleges und Hochschulen, mir dann auch noch entsprechende Serien angeschaut das ist alles ganz nett, irgendwie heimelig, aber weit entfernt von meiner eigenen Lebenswelt.

Es ist ganz was anderes dann etwas zu lesen was mit meiner eigenen Geschichte zu tun hat, meiner eigenen Sozialisierung, mit meinem eigenem Land, zugegebener maßen nicht immer so einfach die deutsche Literatur aber lohnend.

http://www.zeit.de/kultur/2016-04/schriftstellerinnen-literaturbetrieb-frauenquote-10-nach-8

Nachtrag: 19.5. Hier ein Text zu Frauen und Männern im Literaturbetrieb
https://editionf.com/Frauen-Literaturbetrieb-Studie-unterrepraesentiert-Nina-Georg

Auch hier wird sich mit Literatur von Frauen befasst:
Leseplan 2017: Mehr Frauen lesen!

Man soll leise, anständig und fromm bleiben

Schenk_25331_MR.inddSchwere. Gewicht.  Gewicht haben. Gewichtung.

Ein Leben das Gewicht hat, oder ein Leben welches schwer ist durch die Last…?

Wo bleibt die Hoffnung? Was macht das Leben eigentlich aus? Wo ist die Lebendigkeit und wo der Sinn?

Schnell, dein Leben“ – ja hier vergehen sie wie im Flug die Jahre eines ganzen Lebens.

Ein Buch wie eine Scherbe, bruchstückhaft, mit scharfen Kanten. Geschichten über Nachkriegskinder.

Eine Erzählung über einen Lebenslauf zwischen Frankreich und Deutschland, über die Sprache und das Schweigen. Über ein wenig Nähe und viel Distanz.

„Du wälzt dich noch lange in deinem Bett. Das Gefühl, nicht wirklich zu existieren, gründet vielleicht darin, dass du keine Geschichte hast, du hängst in der Luft wie eine erdlose Pflanze, du weißt nichts von der Herkunft deiner Mutter, und dein Vater scheint nicht wirklich zu seiner Familie zu gehören…“

Und genauso schreibt Sie auch die Erzählerin, bzw. so erzählt sie… ich weiß nicht ob die Erzählerin auch die Autorin ist – selbst 44 in Frankreich geboren, später nach Deutschland gekommen, wo sie knapp 30Jahre später anfängt auf Deutsch zu schreiben.

Seltsam modern die ganzen Fragen in dieser Nachkriegsgeschichte, Fragen die auch die Kriegsenkel heute haben. Und dann dieses „Du“ – was erst Abstand schafft zwischen Erzählerin und Geschichte oder vielleicht eben auch dieses „in der Luft hängen“ zeigt und am Ende doch beiträgt zu einer Art Identifikation für den/die Lesende(n).. das Du das kann auch Ich sein.

Du bist, Du tust, Du denkst… später noch ein „Er“ und ein Mann.

„Man soll leise, anständig und fromm bleiben, immer das Richtige tun, das Richtige wird von den Eltern vorgegeben..“

Schlußendlich scheint es mir keine Freiheit zu geben in dieser Geschichte.

Das Du, ein Mädchen, aufgewachsen in den 50igern im ländlichen Frankreich, schafft es als junge Frau entfernt von der Familie zu studieren. Sprache, Literatur sind ihre Themen. Aber auch das Miteinander, Freundschaft, Liebe, das Leben als Frau. Sie lernt neue Menschen kennen, neue Musik, andere Arten zu leben.  Ein junger Franzose mit schweren Gewichten und ein deutscher Austauschstudent haben es ihr angetan. Es geht viel um die Beziehungen untereinander, um Freundschaft, das freie Leben, die Vergangenheit. Um die verschiedenen Gewichte, die sichtbaren und die unsichtbaren. Und um den Weg ins Leben und die Zukunft.

Später heiratet Sie, noch sehr jung, nach Deutschland. Und lernt dort nach und nach die deutsche Familie ihres Mannes kennen. Das Leben geht seiner Wege. Geschichten werden sichtbarer, Menschen verändern sich, es gibt Nachwuchs, …und doch bleiben die Dinge irgendwie in ihren Rahmen gefügt.

„Äußerungen werden überhört, Traurigkeit ist ungehörig, Klagen sind eine Todsünde..“ das kennen sicher sehr viele von uns. Ich denke ein großer Schritt ist es, das so erstmal wirklich zu erkennen.

Ein schweres Buch – eines mit Gewicht. – zur Unterstützung in kleine Kapitel aufgeteilt

dscn7402Skizze „..auf das Gesicht der Mutter, das sich schüttelt und abwendet…
ihr, die Mädchen, seid die Zeltheringe, ihr haltet euer Haus fest…“

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Sylvie Schenk

Schnell, dein Leben

Hanser Verlag, 16,- €

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Was ich leider wieder bemängeln muß ist der Buchrücken und der Klappentext, die den Dingen in der Geschichte eine falsche Gewichtung geben.

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http://www.sylvie-schenk.com

Dresden revisited

dscn5742„Von einer Heimat die einen nicht fortlässt“ – lautet der leicht zu übersehende Untertitel.

Bei diesem Titel mußte ich zuschlagen, ich hab regelrecht drauf gewartet. Peter Richter schreibt über seine Heimatstadt Dresden. Selbst ist er wohl seit über 25 Jahren nicht mehr hier ansässig und lebt als Korrespondent in Amerika, genauer gesagt in New York (was mich ziemlich beeindruckt). Und wie es so ist mit den Wirklichkeiten, just kam das Buch raus, war das Stück „89/90“, was auf einem seiner früheren Bücher mit dem selben Titel basiert, hier bei uns auf der Bühne.  http://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/89_90/

Keine Frage, das dieses Buch von mir als in Dresden geborene, Zurückgekommene und hier Lebende gelesen werden mußte. Im Zuge der Überlegungen bin ich mir sehr unsicher ob ich mich als Dresdnerin sehe, wobei es mir immer wichtig ist zu betonen das ich hier geboren bin, und mich schon sehr viel mit diesem Ort verbindet, da sich für mich an dieser Stadt sehr viele meiner Themen festmachen. Oder vielleicht habe ich diese Themen auch gerade weil ich hier geboren bin?

Richters Buch ist Buch in 29 kurzen Kapiteln. Eine Art öffentlichen nachdenken auf 150 Seiten.

„Dresden revisited“.. also zusagen „wieder zu Besuch“, oder auch „zurückbesucht“… wurde meine Badewannenlektüre, sprich: Ein entspanntes Lesevergnügen. Ich mag den Ton, die Art, wie der Autor schreibt. Ein Mann in meinem Alter und einem so komplett anderem Leben. Natürlich ist auch sein Blick auf die Stadt ein anderer als meiner – das ergibt sich schon daraus das er seine Kindheit im schicken grünen Stadtteil verbracht hat, mit viel Freiheiten wie es scheint, und ich meine sozusagen unten im grauen smoggeschwängertem Tal, und damals eher in staatlichen Einrichtungen als im Wald.

Auch wenn es eine angenehme und leichte Lektüre war, gibt sie viele Anstöße und eröffnet mir eben nochmal andere Zugänge und Blickwinkel. Ein anderes Dresden. Trotzdem ergeben sich am Ende gleiche Ergebnisse im Denken. Ich hab soviele Eselsohren gemacht, ich könnte glatt ein Antwortbuch schreiben. Was leider unklar bleibt für mich ist, welcher Teil des Buches aus der gehaltenen Rede besteht, aus der das Buch hervorging. „Dresdner Reden“ heißt die Reihe, die ich persönlich nicht weiter verfolge. Hätte mich aber schon interessiert in diesem Fall. Ab ca. Seite 100 schwächelt es etwas und wird mir auch etwas schwammig aber am Ende – beim Bogen Dresden-Deutschland- Amerika holt er das wieder raus.

Das Buch ist ein sehr persönliches, die Sicht auch privilegiert, aber sich ernsthaft auseinandersetzend. Hinzu kommen die Vergleiche mit Peter Richters aktueller Lebenswelt – dem heutigen Amerika, besonders am Ende – durchaus interessant. Die Seiten über die Bewegung der Pegidisten scheinen mir schon etwas veraltet, hat man sich doch schon lang damit befaßt, die Bewegung wurde nun auch schon 2 Jahre alt, aber ja, sie gehören wohl jetzt dazu wenn man von Dresden spricht, grade die letzten Monate ist mir diesbezüglich doch eine regelrechte Sachsenbeschimpfung aufgefallen – die einfach sehr verallgemeinert, und in dieser Hinsicht kann es auf keinen Fall schaden über das Thema zu sprechen bzw. schreiben – und das macht er auch differenziert und detailliert.

Besonders spannend waren für mich einzelne Figuren die Richter aufführt, Abwanderungen zur Historie und zu Gesellschaftsthemen. Eine Lieblingsgeschichte ist die vom Bild „Der Raub der Töchter des Leukippos“ von Rubens die er aufführt um zu erklären wie kippelig doch so ein Image einer Stadt sein kann. Wobei es doch wirklich je nach Person immer ein anderes Dresden sein wird. Geschichtlich hat Peter Richter so einiges zu erzählen, und ich hoffe das diesbezüglich noch ein Buch folgen wird. Ich würde sehr gern mehr von Ihm zur sächsischen Geschichte lesen.

Das Dresden was ich sehe ist oft sehr gemütlich, zu oft zu gemütlich – langsam, und veraltet, zuviele Beamte und zu viele entsprechend verkrustete Strukturen, zu CDUlastig, immer noch typisch Osten (Sozialisation), mit zu vielen Westlern an den höheren Stellen. Zu einseitig oft was die Förderung von Kultur und Kunst angeht. Zu sehr auf das Alte besonnen – wir haben nur einen festen geförderten Platz für moderne Kunst – ein kleines Haus in der Rähnitzgasse, übrigens ein sehr schöne Ecke unweit vom goldenem Reiter – der frisch poliert das Ende der Hauptstraße und die Grenze der Neustädter Seite anzeigt, bevor es Richtung Barock und Altstadt über die Elbe geht. Ein weiteres stark gewachsenes Projekt, die Ostrale sieht wohl gerade ihrem Umzug entgegen da die Stadt Dresden es nicht fertig bringt ein geeignetes Stück Fläche zur Verfügung zu stellen. Der Sozialabbau (z.B. Bildungs- und Frauenprojekte etc.) ähnlich wie in anderen Städten, Politik für die mit Kohle, ist jetzt nicht so Dresden typisch, aber auffällig in unserer hübsch sanierten Stadt(mitte). Spaltung zwischen Arm und Reich wird auch hier immer deutlicher. Und immer noch weht einwenig der Wind des Tales der Ahnungslosen über uns, wie mir scheint, grad so im Vergleich mit Leipzig oder dem hippen Berlin, welches auch seine Rolle spielt im Buch.

In meiner Kindheit war die Altstadt schwarz, verbrannt, Reste aus dem Krieg zwischen den viereckigen Ostbauten. Heute strahlt alles längst frisch saniert und lockt die Touristen an. Es ist schön geworden keine Frage, und inzwischen bin ich auch mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche versöhnt. Besucher aus anderen Städten loben die Weitläufigkeit, ich hab beim Wiedereinzug Grünes vermisst. Wir haben ein sehr gute ausgebautes Nahverkehrsnetz (mit wenigen Schwachstellen) und nun soll auch endlich mal was für die Radfahrer gebaut werden.

Eine gewisse Liebe ist nicht zu verleugnen, und es ist wunderschön, grade am frühen Abend auf der Brühlschen Terrasse zu flanieren, wenn man Glück hat spielt jemand Jazz um die Ecke, die Aussicht und das Panorama sind immer wieder, ein Hochgenuß. Der Große Garten, das „neue“ Hygienemuseum, die Elbe und die Heide. Und für mich sehr wichtig die lebendige wuselige Neustädter Ecke mit viel Subkultur – also die junge Seite, die Peter Richter auch erwähnt und die auch zu Dresden gehört, allerdings muß sich da wohl noch etwas mehr Raum erobert werden.

Ich weiß nicht wie das Buch für Menschen wäre die Dresden nicht kennen, ich mag es sehr. Ein kluges, feines, spannendes und auch humorvolles Buch.

Hier noch einen ergänzenden Link zu einem Radiointerview.

http://www.deutschlandfunk.de/peter-richter-dresden-revisited-das-ist-kein-nest-von-alten.700.de.html?dram%3Aarticle_id=364665

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Peter Richter

Dresden revisited

Von einer Heimat die einen nicht fortlässt

Luchterhand Verlag, 18,00 €

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eine andere Rezension:

http://www.kulturernten.com/peter-richter-dresden-revisited/

 

 

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