Der Ursprung der Liebe – Liv Strömquist zum zweiten

Nach dem wunderbaren, einzigartigen und extrem empfehlenswerten Comic „Der Ursprung der Welt“ zur Kulturgeschichte der Vagina legt Liv Strömquist nach! „Der Ursprung der Liebe“ heißt der neue Titel. Hammerharte Lektüre. Mir blieb doch manches Mal die Luft weg beim Lesen, und ich brauchte echt Pausen um den Inhalt stückchenweise zu verarbeiten. Einfach phänomenal, wenn man Dinge liest, die man sich auch schon oft gedacht hat, oder jemand sehr ähnliche Fragen stellt, wo man sich sonst recht allein fühlt mit seinen Ansichten. Aber auch ganz schön heftig wie es zu rattern anfängt bei so mancher Theorie, über die Liebe, das Verhalten in Partnerschaften, also Beziehungen zwischen zwei Menschen, hier vornehmlich Mann und Frau.
Bekannte Paare müssen herhalten, was sehr schlau ist, denn sie geben wunderbare Beispiele ab für alle möglichen „Fehl“tritte, und Liv zeigt uns eine ganze Menge, was so schief laufen kann.
Wie ist das mit der Liebe? Alles Biologie? Oder soziale Konstruktion?
Wir treffen Diana und Charles, Britney Spears und ihren Ehemann, Mr Big und Carrie aus „Sex in the City“ und noch viele viele andere Paare. Bekannt und unbekannt.
Hier merke ich, wie sich meine Auffassung stark unterscheidet – je nachdem ob Bauch oder Kopf grad involviert sind.
Mehr als einmal bleibt einem der Mund offenstehen, denn Liv haut echt so einige krasse Punkte raus, über die sich, glaube ich, so zumindest noch keiner getraut hat zu reden. Wie z.B. die Thematik, daß selbst die furchtbarsten Männer, auch wenn sie Pflegefälle sind, viel jüngere und sehr liebevolle oder zumindest fürsorgliche Frauen bei sich haben. Was im Umkehrschluss kaum vorkommt. Wusstet ihr, daß Nancy Reagan ihren dementen Mann noch bis zum Ende pflegte? Oder auch Hemingway (sehr tragische Familie die Hemingways), der von seiner 4. Ehefrau lange Jahre betreut wurde. Was bringt nur all die Frauen dazu? Der krasseste hier aufgezählte Fall ist Oona Chaplin, viele Jahre (36) jünger als Charles, pflegte ihn über 30 Jahre lang… wow!

Das Buch ist 130 Seiten stark. Viel Inhalt, unterteilt in einige Kapitel, die aber recht fließend ineinander übergehen. Im ersten Kapitel geht es zuerst um Fernsehserien, die allen den gleichen Klischees folgen und so ein Rollenverständnis fabrizieren/wiederholen, was sich eben durch diese Serien und ihre Zuschauer extremst potenziert. Auch dadurch, daß darüber gelacht wird. Wenn man, gerade als Frau da mal genau hinschaut, sag ich nur: Wut ahoi!

Warum landen wir in solchen Arrangements? Sprich Paarbeziehungen und Ehen. Diese sind oft sehr sehr einseitig und immer wieder ähnlich aufgeteilt. In Frauen die Fürsorge geben und Beziehungsarbeit leisten und Männer, die da sind, aber weder das gleiche tun, noch groß etwas eigenes wirklich in die Beziehung einbringen, und nennen das dann Liebe? Ich denke wir werden es alle kennen. Auch wenn es natürlich positive Ausnahmen gibt.

Ich habe mich in den letzten Jahren oft gefragt was eigentlich Liebe wirklich ist. Heute sage ich: Echte Liebe gibt es für mich nur an ganz wenigen Stellen – die Liebe eines Kindes was seine Eltern bedingungslos liebt kann ich z.B. nur noch biologisch betrachten – es ist und bleibt ein hochabhängiges Verhältnis, denn das Kind ist  angewiesen auf die Zuwendung, um zu überleben -, …. denn das was wir gemeinhin Liebe nennen, hat meist viel mehr mit Erwartungen und Bedürfnissen zu tun. Oder, wie Liv eben auch aufzeigt, mit Biologie und Prägung, und nicht mit Freiheit.
Echte Liebe basiert aber auf Freiheit. Wir in unserem Zeitalter, die wir an die Liebesheirat glauben, und viele Menschen viel Energie und Geld investieren in dieses ominöse Liebesding – so von wegen „du bist mein ein und alles“ (Hilfe!), hören sowas natürlich nicht gern. Erst macht dich die Biologie schwach und dann springt deine soziale Konditionierung an. Wie oft geht es z.B. um Macht?
Wo mir das schon immer arg aufgestoßen hat, das ist die Popkultur – diese ganzen Songs und Bücher, in denen sich alles um die eine wahre Liebe dreht, sind für mich nur verstörende Versionen symbiotischer Abhängigkeiten. Und mir ging das schon in meinen 30ern mega auf den Senkel. Drama Drama und alle finden es toll. Auch darauf geht die Autorin ein. Und ja, na klar ist richtiger Liebeskummer total beschissen und schlimm, aber sehr wahrscheinlich gar nicht mal so wegen dieser anderen Person.

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Liv Strömquist erklärt uns das alles, auch warum Mädchen auf Typen stehen, die sich nicht für sie interessieren und Jungs eher kein Interesse haben feste Beziehungen einzugehen. Nur kurz dazu: Drama bauscht schön auf – ich denke auch das kennt fast jede*r. Was das alles mit Sexualität zu tun hat? Auch das wird erklärt. Es geht um das Konstrukt der Ehe durch die verschiedenen Zeitalter, um Selbstbestimmung bzw. eben keine Selbstbestimmung, Eifersucht, Gewohnheitsrechte. Alte Freiheiten und neue Erfindungen. Liv erklärt uns kurz das Patriarchat und was Liebe mit Marktwirtschaft, Macht und Religion zu tun hat, sehr genial! Augenöffnend! Die Dekonstruktion dessen, was gemeinhin als Liebe verstanden wird …und findet dann doch zum Schluß etwas Versöhnliches. Und wünscht uns viel Glück.
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Ja es gibt eine Menge zu bedenken, vieles zu hinterfragen und es heißt den vielleicht schon gespürten Zweifeln wirklich Raum zu geben und sich dann etwas Zeit zu nehmen das alles auch zu verdauen. Dieses Paarkonstrukt ist wirklich eine recht unglückliche Erfindung, vor allem für Frauen. Chuck Spezzano sagte schon so schön: „Wenns wehtut ist es keine Liebe!“ Also Achtung.

Wer weiß, vielleicht gehts ja dann im nächsten Buch um das Scheitern der Idee der Kleinfamilie, auch ein echt wichtiges Thema, das im Untergrund schon länger gärt. Wir werden sehen 😉 Jetzt erstmal ran an den „Ursprung der Liebe“.

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Liv Strömquist
Der Ursprung der Liebe
Avant-Verlag
20,- sehr gut angelegte €

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Liv Strömquist, geboren 1978 in Lund, Schweden, ist eine der einflussreichsten feministischen Comiczeichnerinnen. Die studierte Politikwissenschaftlerin zeichnet regelmäßig für unterschiedliche schwedische Magazine und Zeitungen. Ihre Buchveröffentlichungen befassen sich mit sozialen Fragen.

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Interview:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/liv-stroemquist-ueber-geschlechterklischees-ehefrauen-die.2156.de.html?dram:article_id=411687

Artikel:
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/der-ursprung-der-liebe-von-liv-stroemquist-unfassbar-witzig-a-1195140.html

Ein Blick auf die andere Seite

Die Edition Büchergilde ist bekannt für die besondere Aufmachung der herausgegebenen Bücher. Da ich mich selbst viel mit Illustration befasse und der Illustratorin Theresa Schwietzer bei Facebook folge, lief mir eines dieser besonderen Bücher über den Weg. Es geht um Jenseitsvorstellen und Totenkulte: Wer diesen Blog gut kennt weiß das ich mich viel mit diesen Themen befasse.
Das Buch passt thematisch natürlich auch hervorragend in den November, der Monat des Totengedenkens und der Ahnen.

Theresa Schwietzer schreibt am Anfang des Buches das Sie durch eigene Erlebnisse bei einer Beerdigung auf das Thema kam. Sie möchte anders begraben werden und das Bedürfnis nach einer schöneren Beerdigung führt Sie zu diesem Projekt. Sie stellt uns in ihrem Buch, ja Sie hat es auch selbst geschrieben, die Riten verschiedener Länder vor. Haiti, Ecuador, Zentral- und Südafrika, sowie Indien. Länder die noch eine echte Trauerkultur haben, ganz im Gegensatz zu uns hier.

Sie erzählt uns Geschichten über den Glauben, die Götter und begleitenden Ritualen all dieser fremden Kulturen bis in die Details hinein. Und mir fiel manchmal auf das sich einiges mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen deckt. Ich weiß allerdings nicht woher ich das habe.

Ich bin selbst erstmal ohne jegliche Religion aufgewachsen. Als meine Oma väterlicherseits starb – ich war 4 – wurden wir Kinder ferngehalten. Später mit 8,9 Jahren lernte ich die evangelische Kirche kennen, aber lernte noch lang nichts über Trauer oder über eine Trauerkultur. Auf Beerdigungen hab ich immer noch keinen Plan wie das jetzt abläuft und schwimme so mit, was sich nicht gut anfühlt; in vielerlei Hinsicht.
Was mich mein Leben lang begleitete waren Märchen. Ich vermute das hier doch so manches zu mir gelangte, was in anderen Kulturen zur Tradition gehört. Später bekam ich noch durch die Archäologie einiges mit.

Wenn z.b. im Buch von Grabbeigaben gesprochen wird, erinnere ich mich an unsere Geschichte und die Zeichnungen und Fotos gefundener Gräber von Vorzeiten, alle mit oft reichhaltigen Grabbeigaben. Oder Thema Wiedergeburt, ein bisschen glaube ich auch daran.
Sehr gruslig empfinde ich den Vodoo (Haitit), der im Buch auch ausführlich beschrieben wird. Vodoo ist ein Importgut aus Westafrika und kam mit den Sklaven nach Haiti und (Süd)amerika.

„Ein Blick auf die andere Seite“ ist ein Sachbuch, würde ich sagen. Doch es entführt uns trotzdem in das Reich des Magischen und Mystischen, dunkel, geheimnisvoll, fremd und rätselhaft und sehr interessant.
Neben dem Thema sind vor allem die Illustrationen sehr besonders. Eine Mischung aus Drucken und Buntstiftzeichnungen, in sehr zurückhaltender Farbpallette. Hin- und wieder viel flächiges Schwarz und dann zartere Linien die auch mal einen flächigen Druck überlagern, so wie auch beim Titelbild.
Wirklich ein Kleinod, auch wenn ich mir die Texte abschnittsweise etwas weniger sachlich und mehr erzählender, märchenhafter, gewünscht hätte, das erfüllen dann die Bilder im Buch.
An die 115 Seiten ist das Werk dick, fest gebunden, mit Lesebändchen. Im Anhang eine weiterführende Literaturliste, was ich sehr schön finde.
Die Illustratorin hat auch eine schöne Seite mit vielen weiteren Arbeiten, schaut doch mal hier:

Theresa Schwietzer Portfolio.

 

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Theresa Schwietzer

Ein Blick auf die andere Seite

Edition Büchergilde

20,00 €
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Von der Verlagsseite zur Autorin:

Theresa Schwietzer lebt als freiberufliche Illustratorin und Grafikerin in Hamburg. Sie studierte Illustrations- und Kommunikationsdesign an der Münster School of Design. Neben der Fotografie begeistert sie sich v. a. für Siebdruck. Theresa Schwietzer hat u. a. für Gruner + Jahr, das Rotary Magazin, das Magazin Walden und den Wildtierpark Alexanderschanze in Freudenstadt gearbeitet.

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Neue Friedhofskultur?: http://www.deutschlandfunkkultur.de/veraenderte-friedhofskultur-picknick-am-grab.976.de.html?dram%3Aarticle_id=401295

Ebbe und Blut – alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus

Ein erstaunlich dicker Brocken dieses Buch. Festgebunden und wirklich wunderschön aufgemacht mit toller Gestaltung durch viele Fotocollagen, schönes Papier und klasse Layout. Manchmal steht das Design der Lesbarkeit etwas im Wege, wenn Überschriften in einem zartrosa gehalten sind und sich schlecht lesen lassen, sonst aber ist es wirklich etwas richtig besonderes und ich denke ein tolles Geschenk für jede Frau und jedes Mädchen.
Gesammelt, geschrieben und gestaltet wurde das Buch von 2 Freundinnen und Studienkolleginnen, Luisa Stömer und Eva Wünsch. Ich finde man spürt die Liebe zu Ihrem Werk über „die Wiege des Lebens“. Das monatliche Wunder der Menstruation.

Die Collagen sind Einfallsreich, modern mit Vintagelook und machen aus dem Buch ein kleines Kunstwerk. Inhaltlich hätte ich mir es ein bisschen frecher gewünscht. Es bleibt doch meistens im Raum wo auch die Medizin so waltet – die eben sehr männlich geprägt ist (was wir spätestens seit „Der Ursprung der Welt“ wissen, wenn wir es noch nicht selbst erfahren haben). So verwundert es auch nicht das die Mystik und Spiritualität keinen Raum bekommen im Buch, das hätte es aber meiner Meinung nach erst richtig rund gemacht. Es gibt ein kleines Kapitel über Kurioses am Ende des Buches. Dort fällt z.b. leider auch das Thema Mond und Zyklus und das Thema Synchronisation rein.
Sonst wirklich ein gutes Grundlagenbuch. Von Anatomie,  über den Weg der Eizelle bis zur Monatshygiene. Zu Zyklus, Zyklusstörungen und Periode im Zusammenhang mit der Psyche, bis hin zur Unterstützung durch Naturheilkunde und Ernährung (super Kapitel).
Alles über Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch und zum Abschluß einer wunderbaren Enzyklopädie der Periode –  wird alles recht ausführlich angesprochen und aufgezeigt. Und das in erheblich besserer Form wie das gewisse Aufklärungszeitschriften so bringen. Wer niemanden hat, den Sie fragen kann, hier finden sich viele Antworten und ein zugewandter Schreibstil. Es ist so wichtig seinen eigenen Körper gut zu kennen und zu wissen was da vor sich geht, hier wird das ausführlich erklärt!

Das Buch hat auch eine eigene Seite: http://www.gu.de/ebbe-und-blut/

Danke an den GU Verlag!

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Ebbe & Blut

Luisa Stömer und Eva Wünsch

Gräfe und Unzer Verlag

24,00 €
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Wenn Männer mir die Welt erklären

dscn7106Ja, das kenne ich leider auch, dieses männliche Welterklärungsdingens… und es scheint so normal zu sein, das es gar nicht richtig auffällt. Nach dem Buch ändert sich das vielleicht. Die meisten Frauen die man befragt zum Thema Gleichberechtigung merken auch nicht das sich da viel zu wenig getan hat in den letzten Jahren. Merken teilweise nicht mal wie sie nicht gleichberechtigt sind. Man kennts halt nicht anders – erzogen, konditioniert, und das ist wiederrum echt erschreckend.

Schon lange wollte ich das Buch vorstellen. Es ist schon ein paar Wochen her das ich es gelesen habe. Ein gutes Buch und ein echt heftiges Buch. Schwer drüber zu schreiben. Empfinde es als sehr wichtig und möchte eine große Leseempfehlung aussprechen.

Wenn man grad sehr dünn besaitet ist, vielleicht den Anfang weglassen, wo es sehr viel um körperliche Gewalt gegenüber Frauen und Vergewaltigung geht, inklusive Zahlen/Statistik – so das einem mehrfach fast das Herz stehen bleibt.

„Gewalt ist eine Methode Leute zum Schweigen zu bringen, ihre Stimme und Ihre Glaubwürdigkeit zu negieren“   Wo fängt Gewalt an? In Amerika, woher die Autorin kommt, ist die häufigste Todesursache von Schwangeren die Tötung durch Expartner oder Ehemann.

„Wenn Männer mir die Welt erklären“ beginnt mit der Geschichte die zum Buch führte. Das nächste, recht lange, Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema „Der längste Krieg“ – Machtmisbbrauch in all seinen Facetten – erschreckend und Augen öffnend.

 

Gewalt hat keine Rasse, keine Klasse, keine Religion und keine Nationalität, aber Sie hat ein Geschlecht“ …

…und das führt Rebecca Solnit hier klar vor Augen. Sie regt damit an, endlich eine dringend nötige Debatte zu führen, und zeigt auf, welche tiefgreifenden Veränderungen es Gesellschaftlich braucht. Wie sehr es nötig ist über Rollenbilder, Männlichkeit, Vorurteile und das Patriarchat zu reden. Es werden zu oft falsche Gründe genannt für Gewalt, und es wird nicht gesehen wie sehr Gewalttätigkeit geschlechtsbezogen stattfindet.

Nach dem Rundblick auf das Machtgefälle zwischen Frau und Mann geht Solnit zu einer beispielhaften Geschichte über und stellt die Frage nach dem „Recht“ zu töten, und nach der Kluft zwischen weiblicher und männlicher Welt. Immer wieder folgen Beispiele zu den Aussagen, viele Beispiele. Danach ein Kapitel zur globalen Ungerechtigkeit. Sicher erinnern sich noch viele an die Nachrichten aus Indien, den Gruppenvergewaltigungen, der Brutalität und der Frage nach dem Hintergrund solcher Taten.

Ab Seite 83 geht es dann um die Ehe, und über die Unsichtbarkeit, die Frauen in dieser Institution überfällt. Hier geht es natürlich um Geschichte, aber weltweit betrachtet trifft es leider immer noch viel zu häufig zu, das der Eintritt in eine Ehe die Frauen ihrer Eigenständigkeit und Rechte beraubt bzw. sie gar nicht erst erringen läßt.

Diese Unsichtbarkeit der Frauen, bzw. eben die Tilgung ihrer Anwesenheit ist an so vielen Stellen zu finden, Namen die abgegeben werden, Stammbäume die nur die männlichen Nachfahren aufzählen, Erbrecht, die Arbeit die so selbstverständlich ist, heute CareArbeit genannt – auch dahinter verschwinden die Frauen – ohne ihre Arbeit wäre soviel gar nicht erst möglich, sie ist grundlegend, aber auch zu selbstverständlich. Kleidung – wie eben die Vollbedeckung und Verschleierung, auch hier verschwinden die Frauen. Im Leben dann oft festgehalten im Haushalt und bei der Kindererziehung, fern der Öffentlichkeit. So wie Frauen auch bei uns das vorsichtig-sein angeraten wird, bestimmte Ecken sind zu meiden, eben weil dort Gefahr droht usw. Doch es sind auch die Frauen die ihre Stimmen gegen das „Verschwindenlassen“ erheben, wie z.b. die Mütter der verschwundenen Argentinier, die während der Militärjunta entführt wurden.

Es folgt ein Kapitel über Virgina Woolf, der sich Solnit sehr verbunden fühlt in ihrem schreiben. „Die innere und die äußere Dunkelheit der Dinge.“

„Es ist die Aufgabe von SchriftstellerInnen und ForscherInnen , mehr zu sehen, möglichst frei von vorgefassten Meinungen zu sein, mit offenen Augen in die Dunkelheit zu gehen“

dscn7101Ein sehr mäanderndes Kapitel, in welchem es um viele Verbindungen geht. Verbindung in den Themen als schreibende Frau, über eben die Dunkelheit, aber auch die Hoffnung, … um andere Texte. Es hat mich soweit inspiriert das ich mir nun doch mal Virginia Woolfs Buch „Ein Zimmer für sich allein“ gekauft habe – bin aber noch nicht so weit gekommen.. es ist ähnlich ausufernd bis jetzt. Solnit wendet sich dann noch Susen Sontag zu, was auch sehr spannend ist, allerdings geht es mir zu weit, streckt sich zu weit aus. An dieser Stelle, wäre, denke ich, ein anderes Buch dran gewesen. Trotzdem klingen hier wichtige Themen an – die Selbstständigkeit als Frau und die Möglichkeiten die es oft nicht gibt durch fehlende Unabhängigkeit, vor allem finanzieller Art. Die Autorin geht hier richtig auf im Schreiben über Woolf und Sontag, was einerseits schön ist, aber auch die Grenzen sprengt. Sie erwähnt immer wieder das fließende und die Grenzenlosigkeit in diesem Zusammenhang, das kommt auch sehr gut rüber in diesem Kapitel, ist aber nicht so meins. Für mich die Schwachstelle an diesem Buch.

Nun also nach dem Ausflug in die Geschichte schreibender Frauen, schließt sich der Kreis aber wieder mit einem Kapitel über das Heute, den Feminismus und den Verlauf von Zeit und Entwicklung, sowie das Recht am eigenen Körper. Es macht das Buch rund. Das Fazit der Autorin: ist die Büchse der Pandora einmal geöffnet, und das ist sie in ihren Augen, gibt es kein Zurück mehr. Ideen haben Macht. Wenn sie reif sind werden Veränderungen folgen. Vom denken und fühlen hinein ins konkrete Leben bis hin zu Recht und Gesetz. Ein gesellschaftlicher Diskurs ist nötig für beide Seiten, für alle Menschen. Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles Thema, sondern ein kulturelles.

Marie Sheer – was bedeutet Feminismus (1986): „die radikale Vorstellung, das Frauen Menschen sind

Die FAZ bezeichnet das Buch als vernichtend und komisch zugleich, dem kann ich mich nicht wirklich anschließen. Und es geht auch nicht einfach darum was zwischen Männern und Frauen schief läuft… diese Beschreibung ist schon wieder negierend und fast absurd auf dem Buchrücken. Es geht um viel viel mehr, um ein radikales Aufzeigen und eine kämpferische, revolutionäre Haltung für eine neue Form von Gesellschaft in welcher Gewalt nicht mehr als selbstverständlich oder als Ausrutscher hingenommen wird. Wo nicht durch körperliche Machtausübung einer über jemand anderen bestimmt. Diese Buch ist ein Plädoyer für Freiheit und Rechte für alle, und eine friedliche Zukunft.

Was ich sehr schön finde ist das  Hoffman und Campe dem Buch eine so schöne Form gegeben haben, perfekt der weiße Leineneinband mit der geprägten Schrift, diese Erhabenheit hat dieses Buch verdient. Es zeigt schon in seiner ästhetischen Erscheinung seine Wichtigkeit, ein Statement was mir sehr zusagt.

dscn7098***

Rebecca Solnit

Wenn Männer mir die Welt erklären

Hoffman und Campe 16,00 €

***

weiteres

http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/nachtstudio/rebecca-solnit-maenner-welt-erklaeren-gleichberechtigung-gewalt-100.html

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rebecca-solnit-men-explain-things-to-me-13533126-p2.html

eine weitere Besprechung: http://lobedentag.blogspot.de/2016/03/buch-der-woche-rebecca-solnit-wenn.html

https://diestoerenfriedas.de/maenner-gewalt-und-kollektive-verleugnung/

https://perspective-daily.de/article/455/SifJfsaD

 

Tips für den Umgang mit Anderen

DSCN5361klein, fein, praktisch, toll 😉

hilfreiches Büchlein aus der „30 Minuten“ Reihe, die Ihr vielleicht schon kennt.

Also ich krieg das Buch nicht so schnell durch, aber man findet schnell Hilfe beim reinblättern. Wir kennen Sie sicher alle die A.´s und manchmal weiß man einfach nicht weiter, vorallem wenn man sich nicht distanzieren kann und ein Wiedersehen sicher ist.

Ich seh es als Übungsplattform und finde im Buch von Gitte Härter jede Menge Tips, obwohl ich mich schon intensiver mit dem Thema beschäftigt habe. Manchmal braucht es auch eine Erinnerung an Strategien.

Es finden sich Listen die man erstmal abarbeiten kann um eigene Verhaltensweisen und Werte zu klären, um sich dann klar zu werden was man möchte.

Dann gehts um das Gegenüber. Warum sind die bloß so? Was für Typen von Arschlöchern gibt es – Achtung man kann sich auch Selbst entdecken 😉 Im dritten Teil wird es ernst, Thema Konfrontation; das wie und das drumrum, im vierten Teil gehts dann um widrige Umstände und Akuthilfe.

Ein rundes Buch mit vielen hilfreichen Tips. Hier gehts zur Leseprobe und dann ran an die Nörgel-, Besserwisser- und Arschlochfront, Chaaaaakkkaaaaa Hiiiaaahhh

herzlichen Dank an die coole Gitte Härter, schaut mal auf Ihre Seite: http://www.schreibnudel.de/

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Gitte Härter

30 Minuten Arschlöcher zähmen

978-3-86936-447-6€ 8,90, Gabal Verlag

 

Das innere Kind, vom verstehen zum wohlfühlen

Das Kind in dir muss Heimat finden von Stefanie StahlDieses Buch ist  seit seinem erscheinen im November 2015 auf Amazon zum Nr. 1 Bestseller geworden, und das wundert mich gar nicht. Ein wirklich umfassendes und sehr verständlich geschriebenes Buch zum Thema. Ich habe es inzwischen schon vielfach empfohlen.

Ich gebe der Autorin recht beim Untertitel: „Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme“, auch wenn das zuerst etwas hochtrabend klingt. Aber es ist so das wir Menschen zuerst die Kindheit durchleben, und das oft nicht unbedingt glücklich. Grade die Menschen, die das Kriegsenkelsyndrom betrifft haben in der Kindheit unter schlechter Behandlung, wenig artgerechten Umgang oder auch Dingen wie der Sprachlosigkeit in der Familie o.ä. gelitten. Und die Kindheit prägt. Inzwischen wird das zum Glück immer mehr erforscht, auch die Prägung in der Schwangerschaft und den ersten Jahren, die später am schwersten aufzuarbeiten ist, da wir uns daran nicht erinnern und auch noch keine Sprache hatten, was das Empfinden später oft diffus macht.

Stefanie Stahl spricht vom Schattenkind und vom Sonnenkind – Anteile in uns. Anteile aus verschiedenen Lebensaltern. Man kann mit diesen verschiedenen Anteilen oft lange ganz unbehelligt vor sich hin leben. Probleme gibt es manchmal in der Form das Sie gar nicht so richtig bemerkt werden, eben weil man es nur so kennt. Meistens wird einem aber irgendwann klar das es da Anteile gibt die einem im Weg stehen, oder es geht einem einfach nicht gut mit bestimmten Themen. Manchmal werden auch durch Krisen oder Erkrankungen Dinge wieder nach oben gespült.

Die Autorin weiß von was Sie spricht. Sie ist Diplompsychologin und beschäftigt sich eben mit genau den Themen die im inneren Schattenkind begannen, wie Bindungsangst oder ein schlechtes Selbstwertgefühl. Die Stimme unserer Eltern und Erziehungspersonen und  der Umwelt wird später zu unserer inneren Stimme, und die kann ganz schön fies sein.

Auf den ersten 30 Seiten schreibt die Autorin um was es bei dem Thema geht um dann von Grund auf das Thema aufzufächern. Es geht um die psychischen Grundbedürfnisse und wie unsere Kindheit unser Verhalten prägt. Es gibt kleinere Exkursionen zu Themen die sich daraus ergeben. Dann wir das Schattenkind ausführlichst erklärt, es folgen 40 Seiten zu den Schutzstrategien die das Schattenkind entwickelt hat, da wird sich vermutlich jeder irgendwo wiederfinden. Und wenn man sich wiederfindet ist das schon mal ein guter Schritt. Es folgen viele Übungen zur Heilung des inneren Kindes und dann entdecken wir das Sonnenkind in uns.

Die letzten fast 100 Seiten widmet die Therapeutin dem Thema „Von den Schutz- zu den Schatzstrategien, wieder mit vielen Übungen. Ich denke man merkt schon an der Beschreibung das dieses Buch in einer sehr zuwendenden Sprache gehalten ist. Es ist wirklich ein Schatzkästchen an Wissen, Informationen und hilfreichen Übungen.

Ich denke wenn jeder sein inneres Kind heilen würde gäbe es auf der Welt keine Kriege mehr. Denn wenn dieser alte Schmerz und diese Wunden angenommen und geheilt werden findet man sich selbst und ein großes Selbstverständnis, viel Kraft und Freude. Mann kann vollkommen erwachsen werden. Und das, nehme ich immer wieder wahr, fehlt vielen Menschen heute. Sie bleiben in den alten Verstrickungen und Mustern hängen, üben ungern Selbstreflexion und flüchten lieber oder greifen an – im Grunde nur weil Sie mit sich selbst nicht klar kommen.

Auch für jegliche Beziehungen ist das Thema ausschlaggebend. Sei es die Paarbeziehung oder die zum Chef, vor allem aber natürlich die zu uns selbst. Überall toben die inneren Kinder im Alltag und wenn dann da zwei aufeinander treffen – also die Schattenkinder, kommt selten etwas Gutes bei raus. Ich kann das Buch wärmsten Herzens empfehlen und hoffe das es noch sehr sehr viel Leser findet.

Ein ganz besonders Special hat sich der Verlag noch ausgedacht, ein sehr schönes. Es gibt 2 schöne Meditationen zu den inneren Kindern http://rhspecials.randomhouse.de/microsites/stefanie_stahl/

Zur Einstimmung könnt Ihr Euch ja mal das Interview anschauen was Sie in der Litlounge gegeben hat.

 

Stefanie Stahl

Das Kind in dir muss Heimat finden

Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme

14,99 €, Kailash Verlag

Ein Kriegsenkel erzählt

DSCN3964Ein weiteres Buch im Kanon der Kriegsenkelliteratur. Diesmal ein auch sehr persönliches Buch des Journalisten Matthias Lohre. Ich muß zugeben, es war mir am Anfang nicht sehr sympathisch, da mir doch einiges zu sehr zusammengefasst und verallgemeinert erschien. Es wird nicht zwischen Kriegsgkindern und Nachkriegskindern unterschieden. Und die Jahrgänge der Kriegsenkel setzt der Autor schon ab 1955 an. Das sehe ich anders. Aber wie er auch schreibt, es gibt nicht den Kriegsenkel.

In Matthias Lohres Fall ist er ein später Kriegsenkel, Jg. 76 und seine Eltern Jg. 31 der Vater, und Jg. 37 die Mutter. Schon allein deshalb finde ich den Titel verfehlt, es müßte heißen: Das Erbe eines Kriegsenkels. Finde ich bedauerlich das auf solche wichtigen Feinheiten oft nicht geachtet wird. Bei mir lößt sowas erstmal Ärger aus, weil ich mich einfach in einen Topf geschmissen fühle. Und einer hier die Wahrheit für sich zu vereinnahmen scheint. Was aber sicher nicht die Absicht des Autors war, so wie ich es lese. Er ist ein Suchender wie viele von uns. Aber er gibt zu viele Antworten, die wie die Lösungen klingen und wie die einzigen Antworten, manchmal wie Anleitungen, das gefällt mir nicht so gut.

Ganz persönlich kann ich mich wenig in Matthias Lohres Erzählungen wiederfinden, weder ging und geht es mir „ja doch irgendwie gut“, wie in seinem Fall, er ist immerhin erfolgreicher Journalist der bei Taz und Zeit schreibt und schon das eine oder andere Interview zum Thema Politik gegeben hat, noch ist mein Weg vergleichbar mit seinem. Meine Eltern sind erst Anfang der 50iger geboren und bei uns gab es andere Familienthemen. Und so war auch das Schweigen der Familie ein anderes. Aber immerhin das Schweigen ist eine Gemeinsamkeit – und natürlich finden sich davon noch einige andere, auch wenn ich vielleicht andere Schlüsse ziehe wie er oder das gleiche Ergebnis erlebe mit anderen Voraussetzungen. Es muß auch dazu gesagt werden er ist ein Westdeutscher Kriegsenkel, ich denke hier gibt es doch einige Unterschiede.

Trotzdem haben das Werk und ich noch zusammengefunden, und ich habe Matthias Lohre bis zum Ende seines Buches begleitet. Auf seiner Suche nach Antworten und Klärung seiner eigenen Geschichte. Manchmal laß es sich als würde er laut denken. Hin wieder kam es mir vor, als würde er vor sich hinmurmeln, immer wieder wiederholend was wichtig ist und scheint, um den aufgenommenen Faden nicht wieder zu verlieren.Das ist einerseits ein bisschen nervig, auf der anderen Seite mußte ich aber auch schmunzeln weil es einfach allzu menschlich ist und ich es selber von mir kenne.

DSCN3965Das ganze ist eine Mischung aus Persönlichem und aus allgemeinen Erkenntnissen. Oft zitiert er auch gelesenes, vorallem Psychologen und aus einem Gespräch. Es gibt auch eine Bücherliste im Anhang. Ich finde es in der Mischung nicht so gelungen wie andere.

Am Anfang war mir das alles oft zu sehr auf einem Tablett präsentiert und ließ keinen Raum für mich als Leserin, aber das ist wohl einfach die Art des Journalisten. Er hat es aufjedenfall geschafft mich bei der Stange zu halten und vor allem das Ende hat mich sehr berührt. Und ich habe selbst im Kapitel über die Erziehung, und das schon ewig oft besprochene Thema Erziehung nach Haarer, noch etwas herausziehen können für mich, weil es gut formuliert war. Auch schön fand ich das er die Geschichte vorm Nationalsozialismus mit einbezieht. Das er nach Lösungen und Möglichkeiten sucht.

Viel hab ich markiert, oft die Stellen wo ich dachte ja das bringt er gut auf den Punkt und die andere Hälfte Stellen, wo es bei mir ganz anders war und ich nicht mitgehen kann… auch so kann man schließlich am eigenen einhaken, das bietet Reibungsfläche; und das ist es ja am Ende was man als LeserInn doch auch sucht, die Verbindung zu sich Selbst.

DSCN3972Mehrfach hab ich an „Der alte König im Exil“ denken müssen, die ganze Geschichte des Autors hätte ich da gerne eingeordnet, an dieser Stelle im Bücherregal, aber durch dieses sehr gemischte von persönlicher Geschichte und Verallgemeinerung, und Erkenntnissen der Psychologie ist das nicht passend. Ich würde fast sagen es wäre gut gewesen ganz bei der eigenen Geschichte zu bleiben bzw. die Rückschlüsse auf das Eigene zu beziehen und dies auch so zu schreiben… ich merk jetzt wieder beim schreiben wie sehr mich doch manches ärgert, obwohl ich wirklich gern die letzten Tage jeden Abend im Buch gelesen habe. Es war eines dieser Bücher die ich nicht so verschlingen konnte, sondern nur häppchenweise vertrug.

DSCN3969In meinem Kopf ist so ein Bild von diesem Mann in meinem Alter, ein durchaus sympathischer und ziemlich schöner Mann, so wissbegierig und sensibel, mit seinen wirklich traurigen Augen die viel Seelentiefe erkennen lassen – da fühle ich mich schon sehr verbunden. Es ist gut das er seinen Weg für sich gefunden hat. Diese Geradlinigkeit aber, und vor allem auch diese guten Bedingungen aus denen er heraus agiert die haben, glaube ich, eher wenige Kriegsenkel, aber vielleicht täusche ich mich da auch.

Die Kapitel

Anfang und Ende – Warum diese Geschichte?

Kriegskinder & Kriegsenkel – Wer ist das überhaupt?

Fremde Eltern & Fremde Kinder – Was ist bloß schiefgelaufen?

Erster Weltkrieg & die Folgen – Wann entstanden die ersten Traumata?

Zweiter Weltkrieg & Nachkrieg – Was macht ein Kind zum Kriegskind?

Überlebensschuld & Lebensfreude – Konnten Kriegskinder glücklich werden?

Täter & Opfer – Was machte das Schweigen der Mittäter mit ihren Kindern?

Die deutsche Mutter & Ihre Kinder – Was richtete die Nazi-Ideologie in den Seelen der Kleinsten an?

Kriegsenkel & Kriegsenkelinnen – Was macht das Erbe der Kriegsenkel mit Frauen und Männern?

Verstehen & Nicht-Verzeihen – Wie entwickeln Kriegsenkel mehr Verständnis für sich?

Mutter- & Vaterseelenallein – Wie können sich Kriegsenkel mit der Vergangenheit versöhnen?

Ende & Anfang – Wie lässt sich Abschied nehmen?

Fazit: keine leichte Lektüre, aber verständlich und gut zu lesen. Besonders empfehlenswert für Kriegsenkel mit Kriegskindereltern

Matthias Lohre

Das Erbe der Kriegsenkel Was das Schweigen der Eltern mit uns macht

256 Seiten, € 19,99, Gütersloher Verlagshaus

Thema Grenzen – Bis hierher und nicht weiter

DSCN3333Kennt ihr den Spruch „das Kind braucht Grenzen!“ Damit ist meist nicht die Grenze des Kindes gemeint auch wenn der Erwachsene das denkt, nein er redet von seiner eigenen Grenze und geht dabei davon aus das alle anderen dasselbe brauchen wie er. So ist es aber nicht.

Grenzen. Wir haben Sie alle. Wir brauchen Sie alle, aber oft kennen Wir Sie nicht gut oder haben dieses und jenes Thema damit. Und das beginnt allermeistens in unserer Kindheit – Kindern werden selten eigene Grenzen zugestanden. Stattdessen ist grenzüberschreitendes Verhalten von Erwachsenen fast normal, auch wenn sich Er_ziehung langsam ändert Richtung Be_ziehung. Wenn immer wieder die eigenen Grenzen in Frage gestellt oder übertreten werden ist es sehr schwer ein gutes Gefühl für sich selbst zu entwickeln. Und später wird man das Verhalten was man vorgelebt bekam selbstständig fortführen bis.. ja bis einem klar wird das es so nicht geht.

Rolf Sellin hat dazu ein wirklich ausführliches Buch geschrieben in welchem er 100 und 1 Frage zu den eigenen Grenzen stellt. Fragen die nicht immer einfach zu beantworten sind und einen ins Nachdenken bringen. Ein sehr kluges Buch. Und ich glaube für viele Menschen ein wichtiges Thema.

Der Autor hat mich schon gleich am Anfang gehabt mit seiner Auslegung zum Thema „Grenzenlosigkeit“ in einer Welt wo einem so oft suggeriert wird „Alles ist möglich“. Ein Thema was mir persönlich sehr auf den Magen geschlagen ist, da es partout nicht zutreffen wollte. Denn in Wahrheit ist doch alles immer sehr individuell. Es gibt sehr verschiedene Ausgangssituationen, weshalb es auch schlau ist sich mit den genauen Flächen des eigenen Reviers und den Linien der eigenen Grenzen auseinander zu setzen.

„Seine Grenzen zu zeigen, sein Revier zu halten, das erfordert von uns, dass wir zu unserer Begrenzheit stehen, zu unseren Eigenheiten“

Grenzen setzen heißt auch für andere fassbarer zu werden. Grenzen kennen heißt zu wissen wer ich bin und worum es mir geht. Grenzen erfahren heißt lebendig sein und vielleicht sogar seinen Raum zu erweitern. Äußerst hilfreich in jeglichen Beziehungen, auch der zu sich selbst.

„Leben lässt sich beschreiben als ein ständiger Prozess der Anpasssung“

„Das Kind braucht Grenzen“ – Ja die braucht es und auch ein Erwachsener braucht Sie. Grenzen geben uns Orientierung und Halt und Grenzen zu haben bedeutet nicht das wir nicht auch darüber hinausgehen könnten.

Rolf Sellin schreibt sehr ausführlich über das eigene Revier. Er erzählt von der Grenze als Ort von Begegnung und Konflikt. Gibt Hilfestellung zur Abgrenzung auf verschiedenen Ebenen. Macht darauf aufmerksam was unsere Abgrenzung unterlaufen kann.

Es gibt neben den vielen vielen Fragen die er stellt auch viele Beispielgeschichten und Reflexionen (ein prüfendes und vergleichendes Nachdenken) und so einiges an Hilfestellung. Es ist sicher kein Buch zum einfach runterlesen sondern es gibt einem richtig viel Futter.
Rolf Sellin ist bekennender Hochsensibler und weiß wovon er spricht, wobei das Thema sicher für viele andere Menschen außer HSP´s genauso hilfreich ist. Ursprünglich Architekt – was man vielleicht auch so ein wenig rausliest *schmunzel* und was so passend ist zum Thema, hat er sich weitergebildet zum Coach. Genauer gesagt ist er Systemischer Coach, NLP Master und Trainer, sowie Heilpraktiker, beschäftigt sich mit Quantenpsychologie und Voice Dialogue – was auch immer das ist. Inzwischen hat er ein eigenes Institut für HSP´s in Stuttgart. http://www.hsp-institut.de

Ein wirklich richtig gutes Buch zu einem sehr wichtigem Thema. Ich bin aufjedenfall ein großer Fan von Rolf Sellin. Pragmatisch, fundiert, einfühlsam, und vor allem realistisch und hilfreich.

Rolf Sellin

Bis hierher und nicht weiter

Wie Sie sich zentrieren, Grenzen setzen und gut für sich sorgen.
Mit Test: Wie gut können Sie sich abgrenzen?

16,99 €, 206 Seiten, Verlag Kösel

Das Buch für Stadtpflanzen

DSCN2957DAS Buch für Stadtpflanzen, wie mich. Ich liebe die Natur und wenn man die Augen nur aufmacht findet man das Grün auch überall in der Stadt. Recht erstaunlich manchmal. Die Natur erobert sich immer wieder Ihre Flächen zurück.

So ist Jürgen Feder hier unterwegs in Deutschland, Ost und West. In Metropolen wie Düsseldorf, München oder Dresden. Und zeigt uns was für Pflanzen er so findet. Die Fotos sind meistens ganz gut, manchmal etwas klein, aber es gibt immer einen Erklärungstext und vor allem hinten ein Namensverzeichnis der Pflanzen. Auch gibt es allerlei Geschichten und Feder erzählt auch von seinen Verbindungen und den Menschen die er unterwegs trifft. Ich mag das Buch. Bin am anstreichen und unterstreichen und hab gestern gleich mal einen Ausflug auf das nächste Stück Grünfläche gemacht um zu schauen was da grade so wächst.

Ich machs kurz denn ich will Euch zeigen was ich so gefunden habe mitte April: übrigens sah das eine Woche vorher noch ganz anders aus

 

Na erkennt Ihr die Pflanzen? Es gab auch noch Gänseblümchen und Löwenzahn. So manches ist auch essbar. Also nix mit Unkraut. Das nächste was ich suchen werde ist der Giersch, daraus soll man toll Pesto machen können. Und ich bin gespannt was sich nächste Woche so findet.

Jürgen Feder

Feders Fantastische Stadtpflanze

Neue Entdeckungstouren

rororo 9,99 €

Die andere Seite – 17. Juni ´53

DSCN2987Vor kurzem hatte ich „Deutschland als Bilderbuch“ vorgestellt, es war im Grunde genommen nur Westdeutschland gemeint (obwohl das Buch von Deutschland spricht), bis auf wenige Ausnahmen. Auch in vielen Filmen wie z.B. dem kürzlich gesendetem 3 Teiler Ku`damm 56 wird Westdeutschland dargestellt, alles arg nett. Hübsch, bunt, bisschen Revolution der Jugend, aber sonst? Alle sind versorgt und in den besten Kleidern gekleidet und Mangel an Nahrung oder Wohnraum wird schlichtweg nicht thematisiert.
Gut am Rande bekommt man etwas von der anderen Zone, dem Osten mit – da gehts dann um die neue sozialistische Bewegung, Versammlungen, aber eben nur ganz am Rand. Und leider auch nur positiv dargestellt. So als wäre der Krieg zuende und einfach alles wieder ok. (die Fortsetzung von Kudamm ist ein bisschen besser aber auch glattgelutscht)

In „17. Juni – die Geschichte von Armin und Eva“ dagegen dreht es sich um den Osten, also der Zone, die unter Stalins Macht stand und sowjetisiert werden sollte, als Arbeiter- und Bauernstaat. Ich hatte das Thema damals in meiner Geschichtsabschlußprüfung und habe nach diesem Comic gemerkt das die Schulbücher doch auch ziemlich viel weggelassen haben.

Was war das für eine Zeit, 8 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs? Vielleicht war es ja im Westen wirklich alles schon so hübsch, im Osten war es das nicht, dort gab es noch Lebensmittelmarken und die Arbeit war hart, es ging darum den Soll zu erfüllen, der immer wieder angezogen wurde. Bauern wurden enteignet, zwangsintegriert in die LPG – den landwirtschaftlichen Großbetrieb der DDR.

Den Rahmen bildet eine sehr traurige Liebesgeschichte. Der Lauf der Dinge im Frühsommer ´53 wird dem Leser sehr gut nahe gebracht. Viele unschuldige Menschen sind damals im Gefängniss gelandet oder im Gulag, den Arbeitslagern der Sowjetunion. Vom Regen in die Traufe. Viele flüchteten schon vorher in den Westen und viele wohl auch danach, bis dem später durch den Bau der Mauer ein Ende gesetzt wurde.

DSCN2988Solche Momente unserer deutschen Geschichte dürfen nicht vergessen werden. Es darf nicht vergessen werden das die DDR ein Unrechtsstaat war, der am Ende doch genauso seine Bürger missbrauchte wie der Nationalsozialismus dies tat. Diese Zeiten sind lang noch nicht aufgearbeitet.

Meine Mutter ist 53 geboren, und wenn ich mich da mal so richtig hineinversetze was für Zeiten das waren, wie die Welt für die Menschen damals aussah in der DDR. Wie wenig Freiheit es gab, wie grau alles war und wie förmlich vorbestimmt die Lebenswege durch den staatlichen Einfluß, wie geschlossen das Land. Das ist schon eine ganz andere Welt wie heute. Immer wieder heftig wieviel sich in einem Menschenleben ändern kann.

Das kleine Buch hier konnte durch Förderung der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung realisiert werden. Ich kann nur sagen: bitte mehr davon. Das ist Geschichte wie man Sie gut versteht, weil Sie so erzählt wird wie die Menschen sie erleben. Ich hoffe auf Fortsetzungen. Wirklich tolles Projekt mit viel Inhalt.

 

Autoren: Alexander Lahl, Tim Köhler, Max Mönch

Illustration von Kitty Kahane

17. Juni – Die Geschichte von Armin & Eva

Verlag Walde+Graf bei Metrolit

http://www.museumsmagazin.com/2013/03/berlin/die-geschichte-von-armin-eva/

schaut auch mal hier beim Tagesspiegel

http://www.planet-wissen.de/geschichte/ddr/geteilte_stadt_berlin/pwiejunideraufstand100.html
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andere Comics:
https://reingelesen.wordpress.com/2015/07/29/widerstandscomic-grenzfall/
https://reingelesen.wordpress.com/2016/08/25/wendecomic-treibsand/

 

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