Was verborgen bleibt

Mein erstes Buch von der „Frankfurter Verlagsanstalt“ – das sind die mit dem hübschen stilisiertem Elefantenlogo. Und der erste Roman der Autorin Britta Boerdner. Es hat mich gleich angesprochen, sicher auch wegen des schönen Covers, aber vor allem wegen der Geschichte.

Eine junge Frau reist ihrem Freund hinterher, der gerade dabei ist beruflich Fuß zu fassen. Und das in der Ferne, in Amerika. Weit über dem großen Teich.  Bei ihm hat es einfach zuerst geklappt. Sie hatten ausgemacht, vor längerem schon, daß der, der es zuerst schafft, den anderen sozusagen nachholt. Der Freund, Gregor heißt er, hatte Glück gehabt.

Nun ist sie also angekommen. Sieben Monate zwischen dem wir. 6000 km zwischen hier und dort. Wir begleiten die Ich Erzählerin durch die Tage in der großen Stadt, die nicht benannt wird, aber ständig beschrieben. Details, Orte, Besonderheiten. Sie kennt sich aus, das merkt man sofort, sie war schon mal da. Es gab gemeinsame Tage und es gibt gemeinsame Erinnerungen, eigentlich. Die Erzählerin will die Stadt nun zu ihrem neuen Zuhause machen, bald will Sie Ihre Leben in Deutschland in den Container packen und mit Ihrem Freund in Amerika neu anfangen. Bemüht sich alles anzueignen streift sie Tag um Tag durch die Straßen. Ich spüre die Liebe und die Vorfreude auf das kommende in den Zeilen, die wachen Augen lassen mich teilhaben. Ich darf den Gedanken lauschen.
Eendlich kann er umgesetzt werden der Plan, nach dieser langen Zeit der Entfernung. Alles ist bereit. Aber etwas kommt trotzdem nicht in Fluß. Und das ist die Beziehung zwischen der Erzählerin und ihrem „Freund“. Drei Wochen haben Sie Zeit sich wieder anzunähern. Aber sie erreicht ihn nicht, er ist schon so angekommen in der Stadt, hat ein eigenes Leben. In der zukünftigen gemeinsamen Wohnung scheint kein richtiger Platz für Sie zu sein.

Es ist schon eine Weile her das ich das Buch gelesen habe, aber sobald ich es wieder aufschlage und anfange zu lesen, fließt die besondere Atmosphäre mir entgegen. Es ist selten, daß mich Bücher („Die Entdeckung der Langsamkeit“ und „Die Zwillinge von Highgate“)  so in ihrem eigenem zeitlichen Fluß, in diesen ganz besonderen Rythmus mitnehmen. Wirklich kunstvoll geschrieben… wobei das Wort fast zu hart ist um die Schreibweise von Britta Boerdner zu beschreiben.
Die Erzählerin tastet sich vor, auf eine Art geschmeidig, aber auch scharf beobachtend, achtsam und dann immer mehr mit diesem inneren leisen Alarm. Ich spüre wie die Kraft nachlässt und die positive Energie mit der Sie gelandet ist. Sie findet keine Resonanz…

„Was verborgen bleibt“ war eine wirklich wunderbare Entdeckung am Ende des Jahres und kommt mit auf meine Best-of-2017 Liste. Und auf die Liste der „wieder zu lesenden Bücher“.
Ein Zusammentreffen von Neuanfang und Abschied. So lang geplantes und gewünschtes was nach und nach vollkommen in der Vergangenheit verschwindet im Winter in der großen Stadt. Auch wenn es kalt und düster ist auf eine Weise, habe ich immer wieder das Bild der gleißenden Sonne an einem weißem Wintertag vor Augen. Eine tolle Frauenfigur, eine wunderbare Erzählung und eine Autorin, auf deren weiteres Werk ich sehr gespannt bin.

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Britta Boerdner
Was verborgen bleibt
Frankfurter Verlagsanstalt
Erschienen 2012, 160 Seiten, 18,90 €
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Information von der Verlagsseite: Britta Boerdner, geboren in Fulda, studierte nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin Amerikanistik (das spürt man im Buch), Germanistik und Historische Ethnologie. Ihr Debütroman »Was verborgen bleibt« erschien 2012 bei der FVA. Für »Am Tag, als Frank Z. in den Grünen Baum kam« (FVA 2017) erhielt sie das Inselschreiber-Stipendium der Sylt Foundation und das Stipendium des Hessischen Literaturrates in der Emilia Romagna. Britta Boerdner lebt in Frankfurt am Main.

Schwester Tod – zur Trauerkultur

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Im letzten Beitrag sprach ich über das trauern und klagen im Angesicht des Todes und heute möchte ich ein dazu passendes Buch vorstellen.

„Schwester Tod“ – der Tod, das Sterben und alles drumherum, ein Bereich um den sich immer mehr die Frauen gekümmert haben, neudeutsch auch Carearbeit. Ein wirklich umfassendes Buch, wo mir einerseits einiges wieder begegnet und andererseits viel Neues zu finden ist.

Die Autorin hat sich mit Traditionen und Überlieferungen befasst, und gibt sehr viele praktische Hinweise zur Ausgestaltung und Begleitung von Sterben, Tod und Trauerzeit. In unseren Breitengraden sind wir doch recht traditionslos geworden, und in vieles spielen Paragrafen und Gesetze hinein. Der Kontakt zum wesentlichen, wozu eben auch das Sterben gehört, geht verloren. In diesem Buch finden wir einen wunderbaren Zugang zu alten Sitten und Bräuchen und einen liebevollem Umgang mit all den Themen rund um das Sterben. Es nimmt einem die Angst und führt heran an eine sinnvolle und liebevolle Art der Begleitung. Bringt das Sterben, welches ja nun täglich geschieht und von dem wir alle betroffen sind, wieder näher heran. Sehr berührend und herzlich fühlt sich das beim lesen für mich an.

Das Buch beginnt mit einem Kapitel über Symbole und innere Bilder, als Sprache der Seele, Unterstützung in schweren Zeitenwelch schöne Einleitung. Man spürt die profunde Kenntnis zur Religions- und Kulturgeschichte und es ist spannend wie viele Geschichten sich im Buch finden. Dann, ganz ausführlich, zur Frühgeschichte und Volkstradition, über Totenkulte hin zur europäischen Sagenwelt.

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„Eine Schale will ich sein

empfänglich für die Wunder des Lebens

Eine Schale für Dich, heilige Weisheit…

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Dann wird uns die Tödin vorgestellt, ja auch hier eine weiblich Gestalt. Heilige Damen oder mythische Gestalten mit Ihren Werkzeugen.

Im zweiten Teil geht es um die Sterbebegleitung, ganz lebensnah und praktisch. Es werden Rituale aufgezeigt, es geht um Abschiede, um Sterbeammen und Seelenwächterinnen. Richtig friedlich wird mir zumute. Ich finde gerade alte Bräuche geben sehr viel Halt und Rituale helfen mit den Dingen umzugehen.

Es folgt nun im dritten Teil das Thema der Bestattungskultur. Es geht um die Zeit zwischen Tod und Beerdigung. Die ganz praktischen und notwendigen aber auch hilfreichen Abläufe. Was ist uns möglich zu tun, was kann uns begleiten, und wie gehen wir um mit den Dingen?

Danach geht es um Abschiedsfeier, Trauerrituale und Beisetzung. Viele Beispiele und Geschichten sind auf den Seiten zu finden und alte Abschieds- und Gedenkbräuche werden vorgestellt.

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„Im gehen der Spirale beweg ich mich nach innen

und spür mit allen Sinnen ins Zentrum meines Seins.

Im gehen der Spirale verlasse ich das Alte

und leg es in die Spalte

von Mutter Erdes Schoß.

Im gehen der Spirale erkenne ich das Leben

und fange an zu weben,

was neu entstehen soll“

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Das letzte und fünfte Kapitel handelt dann von unserer Erinnerungs- und Gedenkkultur, hier wird auch nochmal auf Ahnenfeste im Jahreskreis hingewiesen – der November ist ja der Ahnenmonat schlechthin. Am Ende werden der Tödin noch einige Seiten gewidmet und  Gedichte, Segenssprüche und Gebete runden am Ende alles ab – in deutscher Sprache – ich kenne viele der Lieder auf Englisch.

Also wie ihr seht kein wissenschaftliches Buch und keine reine Erzählung, sondern mit wirklich praktischem Wissen und einer Fundgrube an umsetzbaren Ritualen für die eigenen Wege. Ein wenig mehr gestalten hätte man das Buch können, um diesem Schatz einen würdigen Rahmen zu geben. Aber im Nutzen der Inhalte kann dann ja jeder selber kreativ werden.

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von Erni Kutter

Schwester Tod – weibliche Trauerkultur, Abschiedsrituale, Gedenkbräuche, Erinnerungsfeste

Kösel Verlag, Paperback, 17,95 €

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