Wir hören Schritte und Musik. Absatzschuhe. Ein Orchester? Na ja, ein kleines Orchester, oder sagen wir Band. Aber die Atmosphäre ist schon besonders. Wir befinden uns in einem Tanzetablissement, eins von denen, die heute schwer zu finden sind. Alles etwas flauschig, kleine Tanzfläche mit Tischchen drumherum, eine Bar, so ein wenig 40er Jahre Style. Auch die Protagonistin, schlicht aber elegant gekleidet in einer weißen seidigen Bluse, sie wird als Dr. Felser angesprochen, schaut sich interessiert um und trifft nach dem Empfang auf einen Mann, der sie mit „Hallo Alma, ich bin Tom“ begrüßt.
Sie setzen sich und Tom ohne Nachnamen sagt: „Du bist eine wunderschöne Frau Alma“, legt dabei seine Hand auf die Ihre. Beim nächsten Satz zieht Alma ihre Hand weg. Später erfahren wir warum.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Film keine 2 Minuten alt und wir mittendrin, so wie Alma später mit Tom. Kein langes Vorgeplänkel.
Dieses erste Treffen erinnert an toxisches Lovebombing, bei dem das Gegenüber mit Komplimenten überhäuft wird und die toxische Person viel Interesse heuchelt, und das bevor man sich überhaupt wirklich kennengelernt hat.
Hier ist das ganze aber anders. Tom ist ein Roboter und passend für Alma programmiert, nach ihren Wünschen und Vorstellungen.
Alma Felser hat eingewilligt für 3 Wochen einen Roboter als Partnerersatz zu testen. Im Film ist sie eine Forscherin, die grade an ihrer wirklich großen Promotion arbeitet, mit eigenen Räumlichkeiten und studentischen Hilfskräften. Überhaupt wirkt alles sehr privilegiert in diesem Film. Alma, ihre Wohnung, ihre Kleidung, ihre Arbeit, das Umfeld und nun auch Tom.
Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von Eva Braslavsky, welche im Buch „2029 Geschichten von Morgen“ im Suhrkampverlag erschienen ist. Es gibt eine ganz interessante Einleitung zur Entstehung dieser Kurzgeschichtensammlung, leider mit einem schlimmen Spoiler zu Almas Geschichte, die im Buch eine ganz andere ist als im Film.
Alma wird im Buch als reife erfahrene Frau geschildert, ab wann ist man das? Sie ist Paartherapeutin in der Kurzgeschichte und es ist sehr heikel, dass sie als Verteidigerin der menschlichen Paarbeziehung nun einen Robotermann an ihrer Seite hat. Deswegen findet ihre „Beziehung“ auch erstmal nur zu Hause statt. Was den Roboter mit der Zeit stark irritiert. Er ist programmiert zu lernen, programmiert auf Beziehungsgeflechte des Menschen, er entwickelt sich beständig weiter, passt sich an oder auch nicht. Er „will“ Erfahrungen sammeln.
Es wirkt im Film und auch im Buch so, als könnten Roboter Gefühle entwickeln oder zumindest sehr gut imitieren, was für die Menschen Nähe erzeugt. Gefährlich ist aber wohl die Entwicklung eines Willens oder wurde der schon mitgeliefert? Es sind Geschichten, es sind Thesen. Wir wissen nicht wie das wäre, die Fragen aber durchaus spannend.
Ich mag Geschichten über die Zukunft und Science Fiction. Und wir wissen ja aus der Vergangenheit, dass sich so manches erfüllt. Sollen diese Roboter Menschenrechte bekommen? Darum geht es bei dem Experiment im Film. Im Buch haben sie bereits Rechte und das bringt die Menschen am Ende in Bedrängnis, wie man zwischen den Zeilen herauslesen kann, und wie uns es das Ende leider auch verdeutlicht.
Lange Einstellungsprotokolle musste Alma vor dem Kauf ausfüllen, endlose Fragen beantworten, wie Tom sein soll. Und sie muss zustimmen, dass sie ihn gut behandelt, eine Art Gelöbnis wird ihr abgenommen.
So einfach ist das alles nicht, wenn alles nach Wunsch geliefert wird, das wird schnell klar in der Geschichte, aber auch im Film.
Alma ist noch nicht so ganz über eine Trennung hinweg und sie scheint mir manchmal etwas grummelig, und ich kann das gut nachvollziehen und finde sie sehr sympatisch. Tom ist eine kleine Klette und will irgendwie beschäftigt werden, er will Aufmerksamkeit, und zwar von seinem Menschen Alma. Macht er nicht alles was sie sagt? Könnte man meinen, aber nein tut er nicht. Alma ist skeptisch und wachsam. Testet den Roboter auch aus. Und Tom macht das, auf was er programmiert wurde. Wer hier wem zu Diensten ist, das ist manchmal fraglich.



Ja wie wäre das wohl, wenn uns ein Menschroboter, auch Humanoid genannt, an die Seite gestellt werden würde, der ganz nach unseren Wünschen programmiert ist? Also klar ein Roboter, aber so extrem menschlich das man kaum einen Unterschied feststellen kann, was vielleicht auch eins der Grundprobleme überhaupt ist. Oder auch das, was sich so mancher genauso wünscht.
Jemand der ihm sehr ähnlich ist und genau so reagiert wie man möchte. Unterstützt das nicht nur das Ego? Werden Menschen dadurch nicht einfach abhängig von Maschinen, weil diese ihnen eben das erzählen, was sie wollen, und ihnen entgegenkommen, kaum kontrovers agieren? Ich denke, Menschen werden so ersetzbar, dass echte Beziehungen nicht mehr stattfinden, weil sie dann zu reibungsintensiv wären. Da ist so ein Roboter schon bequemer, man weiß auch ungefähr was zu erwarten ist. Vielleicht ist auch das, was die flauschige Atmosphäre des Films transportieren soll. Es ist ein Phantasieleben in welchem wir noch mehr um uns selbst kreisen würden.
Und ich frag mich auch wie das dann eigentlich mit dem Nachwuchs werden soll. Dazu gibts auch Ideen im Buch, in den anderen Geschichte, die weitere Welten der Zukunft erfinden.
In vielen Geschichten mit Humanoiden geht das ganze nicht sehr positiv aus. Dagegen ist der Film „Ich bin dein Mensch“ sehr lieblich, sehr weich und glatt irgendwie, es gibt viele bezaubernde Szenen. Alma ist eine perfekte Frau in meinen Augen, schlau, schlagfertig, selbstständig, mit Power. Sie ist liebevoll und fürsorglich, hat Humor, Geschmack und sie ist kritisch und irgendwie immer gut gekleidet.
Im Film gibt es eine Nebengeschichte. Wir treffen Almas verwirrten Vater, ihre Schwester und ihren Neffen und erfahren, wie sie als Familie miteinander umgehen, was wirklich schön anzusehen ist, fast schon zu idyllisch. Sie zeigt uns Alma wie sie privat ist.
Im Buch erfahren wir nichts über ihre Familie, dafür spielt auch hier der Exfreund eine wichtige Rolle, aber auch ganz anders als im Film. In der Kurzgeschichte spielt ihr Beruf als Paartherapeutin eine Rolle, diese konfrontiert Alma zusätzlich mit den ganzen Beziehungsthemen. Und diese Beziehungsfragen stellt die Geschichte ja auch im Ganzen. Was macht Beziehung eigentlich aus? Was braucht es? Wie ist das so mit den Bedürfnissen und was braucht es für die Liebe? Reicht die Liebe von einer Seite bzw. kann man das, was Tom als Roboter als Liebe zeigt, wirklich als Liebe bezeichnen? Es ist doch eigentlich ein Spiel, da eine Maschine keine Gefühle hat. Was wir beim Menschen verwerflich finden würden, nämlich das Vorspielen von Liebe, ist beim Humanoiden gewollt. Fördert das nicht nur den eh schon starken Narzissmus in der Gesellschaft?
So unterschiedlich die Geschichten im Film und im Buch verlaufen, so unterschiedlich enden sie auch. Total gegensätzlich. Die Originalgeschichte hat nicht diese ruhige Lieblichkeit, wo trotz allen Herausforderungen ein Gefühl von Zärtlichkeit, Freisein und einer guten Welt rüberkommt. In der Geschichte wird viel mehr Stress spürbar, die Fehlbarkeiten von Menschen, Maschinen und ihre Auswirkungen, die am Ende zerstörerisch sind.
Ein süßer Traum von einem selbst geschaffenen auf mich abgestimmten Wesen bleibt vielleicht besser ein Traum.
Der Film „Ich bin dein Mensch“ lief im Kino und findet sich noch bis Ende März in der ARD Mediathek
Über das Buch werde ich nochmal gesondert berichten. Leider gibt es vielmehr Geschichten von Männern als von Frauen. Und auch die Entstehungsgeschichte ist eine Männergeschichte, deswegen kann ich nur für diesen Artikel den #literaturvonfrauen vergeben, aber nicht für das ganze Buch.
Das Projekt „2029“ entstand vor dem Hintergrund das kaum noch Zukunftserzählungen zu sehen seien und zu lesen schon gar nicht. Ich stimme ein Stück weit zu. Allerdings kenne ich einige Serien die sich mit der Zukunft beschäftigen. Literarisch muss ich mehr suchen. Mir ist es eine Freude wieder mal einzutauchen in Geschichten und Utopien und Ideen davon wie es wohl sein könnte. Was ich wieder nicht verstehe, das ist die starke Abweichung von der Originalgeschichte. Eigentlich erzählt der Film etwas anderes als die Kurzgeschichte.
Aber wie auch immer, ich denke wir brauchen den Blick in die Zukunft um das Jetzt weiter zu entwickeln.

Bei uns können wir vielleicht nun auch Emma Braslavsky (1971 geboren in Erfurt) zu den Zukunftserzählerinnen zählen. Sie hat ein ganzes Buch geschrieben zum Humanoidenthema. „Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten“.
Viele Informationen findet ihr auf ihrer Seite: https://emmabraslavsky.de/
Sie hat inzwischen einige Preise für ihre Arbeiten bekommen. 2021 gewann sie z.B. das Literaturstipendium in Thüringen https://www.boersenblatt.net/news/preise-und-auszeichnungen/12000-euro-fuer-emma-braslavsky-164855
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2019 / Radiobeitrag
https://www.swr.de/swr2/literatur/av-o1144236-100.html
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Emma Braslavsky bei Perlentaucher
https://www.perlentaucher.de/autor/emma-braslavsky.html
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Andere neuere Filme und Serien mit Humanoiden
Real Humans – Echte Menschen (2012 – 2014)
Humans (ab 2015)
Black Mirror (ab 2011)
Westworld (2016)
Almost Human (2013)
Raised by Wolves (2020)
I, Robot (2004)
A.I. – Künstliche Intelligenz (2001)
etc.
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weiteres zum Thema:
https://www.deutschlandfunk.de/roboter-sind-auch-nur-menschen-100.html
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https://www.planet-wissen.de/technik/computer_und_roboter/kuenstliche_intelligenz/pwiekuenstlicheintelligenzundbewusstsein100.html
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2010 / https://www.sueddeutsche.de/digital/kuenstliche-intelligenz-man-kann-mit-robotern-eine-ehe-fuehren-1.342591-0
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2019 / Ethische und soziologische Aspekte der Mensch-Roboter-Interaktion (PDF)
https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/F2369.pdf?__blob=publicationFile&v=5
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2005 / Mensch-Roboter Interaktion – eine sprachwissenschaftliche Analyse
https://www.uni-kassel.de/upress/online/frei/978-3-89958-130-0.volltext.frei.pdf
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2018 / Entgrenzungen zwischen Mensch und Maschine, oder: Können Roboter zu guter Pflege beitragen? https://www.bpb.de/apuz/263682/entgrenzungen-zwischen-mensch-und-maschine-oder-koennen-roboter-zu-guter-pflege-beitragen