Albert – Graphic Novel

DSCN5427„Albert“ – ein sehr persönliches Buch. Albert, geboren 1922 im Westerwald – ist die Hauptperson dieser hervorragend aufgemachten Graphic Novel. Sein Sohn Eberhard erzählt das Leben seines Vaters und der Enkel Sebastian illustrierte das Ganze.

Albert hatte keinen guten Start ins Leben und wird dann auch noch in eine Zeit und Stellung hinein geboren die auch die Kindheit nicht einfach macht.

Und man ist seiner Geschichte hier von Anfang an nah. Sie trifft einen ins Mark. Durch das persönliche ist man mittendrin und bleibt nicht im Entsetzen stecken wie es doch manchmal bei Dokus und Berichten ist.  Ich erfahre hier hautnah, unterstützt durch die starken Zeichnungen, wie sich die Zeiten und die Üblichkeiten auf ein Menschenleben auswirken. Wie schwer Kindheit und Jugend damals war. In Finsternis gehüllt, wo es keine Wahl gab und das Leben soviel Schwere und Mühsal hatte. Und dann auch noch der Krieg. Nicht Erwachsen, schon an die Front. Überall Gewalt.

dscn5424Sebastian Jung scheut sich nicht vor einem kräftigen schwarzem Strich, der auch mal viel Raum einnehmen darf. Reduziert und oft grob sind die Striche und geben wieder was erzählt wird in einer zweiten Sprache welche die Erzählung wunderbar unterstützt. Immer wieder gibt es auch private Fotos, die uns noch näher an Albert heranrücken lassen.

Erzählt wird sachlich beschreibend. Mann spürt an einigen Stellen eine Einfachheit die sich anfühlt als würde uns jemand selbst die Geschichte erzählen, ganz privat unter uns, auf der Bank vor dem Haus.

Wir dürfen Albert durch sein Leben folgen bis zum Ende. Ich muß gestehen ich habe Rotz und Wasser geheult bei der Lektüre, in 3 Happen verschlungen. Ein wunderbares Buch, so authentisch und auf eine ganz reine Art schlicht.

Wir brauchen solche Bücher um unsere Geschichte zu verstehen. Um zu verstehen was die Zeiten, die Politik, die Erziehung mit den Menschen gemacht haben. Wie wenig Raum in diesen Leben zu sein schien, wie eng der Radius. Soviel von Anfang an vorgegeben. Soviel Schmerz und sowenig Möglichkeiten einer freien Lebensgestaltung. Die Wünsche waren nicht groß – aber selbst die….

dscn5422Was für Eltern gehen aus diesen Geschichten hervor, was für Kinder folgen? Und warum wirkt die Zeit des 2. WWK immer noch in uns nach? Gesammelte Essenzen in den alten Menschen. Geschichten die nie vorbei gehen, auch wenn viele Andere folgen. Die Kindheit und Jugend kann einem keiner zurückgeben und was danach kam … es bleibt alles bis zum Ende und darüber hinaus in den Kindern und Kindeskindern. Ein Buch was genau aufzeigt wie sich Politik in jedem einzelnem Lebenslauf zeigt. Ein Mensch der einfach nur Leben wollte, seinem Wesen entsprechend, so wie Wir auch. Ein Buch was ganz klar zeigt auf was es ankommt.

Das Buch bekam den Hamburger Graphic Novel Förderpreis!

Sebastian Jung

„Albert“

mairisch Verlag

Erscheint am 1. Oktober 2016

15,00 €

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http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/lesezeichen/sebastian-jung-albert/-/id=12944736/did=18508078/nid=12944736/v0fjd6/index.html

Acht deutsche Sommer

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…“ich kenne kein Land, das seine kostbarsten Momente so leicht verwirft und vergisst und sie so ungelenk feiert wie meines“…

Acht deutsche Sommer beinhaltet 8 Geschichten von 1945 bis 2015, jedes Jahrzehnt eine. Hochaktuell und sehr besonders. DAS Buch des Sommers für mich. Ein echtes Highlight.

3 Autoren erzählen hier erweiterte biografische Geschichten einzelner Menschen und unseres Landes. Ehemals als kleine Serie in der „Welt“ erschienen, nun ausführlicher in diesem wunderbarem kleinen Buch. Und wieder sieht mann deutlich wie sich die Politik im Privaten spiegelt.  Wie schön wäre es für jedes Jahr eine Geschichte zu haben, das wäre dann natürlich ein wirklich dicker Schmöker, das würde mir sehr gefallen.

Oft hatte ich Tränen in den Augen, weil es allesamt sehr persönliche Schicksale sind, die hier erzählt werden. Außerdem habe ich noch einiges gelernt, z.B. über Politik oder die Geschichte des Frauenfußballs.

Es beginnt 1945, kurz nach dem Krieg, als ein junger Mann von 17 Jahren und mit Kampferfahrung, nach Hause kommt und seine Familie sucht. Es geht um die Orte und um den Krieg an diesen Orten und um das Leben kurz nach dem Krieg, die Besatzungszonen und viel Glück am Ende.

1955, Nachkriegszeit, langsam kehrt wieder Alltag ein, erst jetzt beginnt wirklich ein Leben. Einem Jungen, der fasziniert ist von den Amerikanern, gelingt es, ein Auslandssemester in den USA zu gewinnen. Und auch hier spielen die Orte eine besondere Rolle, Deutschland vs. Amerika, Kassel als Heimat und Austragungsort der Documenta, Ungarn als Ort der Aufständigen und blutigen Proteste, Ost und West. Der junge Mann findet sich später dann in der Politik wieder.

Der Prozess bzw. die Prozesse gegen die Nazis, das Jahr 1965, kurze Zeit vor der Studentenrevolte. Adorno als Dozent und ein Student der sich um angereiste Prozessgäste kümmert, die aus aller Welt gekommen sind, um ihre Aussagen zu machen. Keine leichte Aufgabe und vor allem eine, die das Leben prägt.

1975 bringt das Wunder von Bonn, eine Geschichte über den Frauenfußball, eine der Geschichten, die mir besonders gut gefallen haben, vielleicht auch, weil da doch vieles für Nichtinsider gar nicht bekannt ist. Und, nun ja, auch mein Geburtsjahr. Es war mir nicht bewusst das Fußball für Frauen förmlich verboten war und es harte Kämpfe gab, bis Frauen endlich offiziell spielen durften, geschweige denn als Profis anerkannt wurden und öffentliche Spiele stattfinden durften. Zur Erklärung hieß es 1955 , also schon 10 Jahre nach dem Krieg, von Seiten des DFB „.. dieser Sport sei eine Form der Aggression, die eine unerbittliche Härte erfordere [..] wesentliche Demonstration der Männlichkeit [..] Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerliche Schaden […] usw.“ Unfassbar. Und das nach einem Krieg, in dem Frauen oft die Stellen der Männer hatten übernehmen müssen… Aber die junge Anne hält durch, wird später richtig berühmt und vor allem erfolgreich mit Ihrem heiß geliebtem Fußball, gegen Funktionäre und alle anderen Widerstände.

Nun kommt auch endlich eine Geschichte aus dem Osten, 1985. Ein junger Mann, der im Osten ins Abseits gerät in seiner stillen Widerspenstigkeit gegen den Arbeiter-und-Bauern-Staat. Ausreisen will er aber nicht, er bleibt allen Schwierigkeiten zum Trotz und geht später nach der Wende in die Politik. Bei dieser Geschichte ist mir der Ton ein wenig zu säuselnd und zu lobend. Den Herrn, um den es hier geht, fand ich unangenehm „schleimig“, aber das Stück Lebensrealität in der DDR ist allemal sehr interessant. Und ich werde das Wort Wende nun anders oder vielleicht gar nicht mehr verwenden, da der Begriff wohl durch Egon Krenz geprägt wurde, der doch ernsthaft von einem menschlichem Sozialismus sprach, was manch einer ja leider heute immer noch tut, wenn von der DDR die Rede ist. Klaus Zeh, um den es hier geht, sagt deshalb auch lieber „friedliche Revolution“.

1995 – auch eine ganz phantastische Geschichte, die Einblick in das Leben von Djane im nun „freien“ Berlin gibt – damals neue Musik wie Techno, Acid House, Deep House erobert die schnell gegründeten Undergroundclubs. Und Ellen Allien ist dabei, legt auf, komponiert und gründet zweimal ein Musiklabel. Wirklich gut erzählt, man ist mittendrin, und die Stimmung der Zeit sprüht einem förmlich entgegen. Eine Ahnung von einer kurzen Zeit vollkommener Freiheit – Sehnsucht wird hier geweckt. Aber es dauert nicht allzu lange, dann beginnt die aufgerissene Stadt zusammen zu wachsen und wird Hauptstadt. Meine zweite Lieblingsgeschichte.

Nun beginnt sich der Kreis, den das Buch zieht, wieder zu schließen. Es geht in der Geschichte von 2005 um das Leben eines Bundeswehrsoldaten, der am Hindukusch im Auslandseinsatz ist. Was heißt es heute, Soldat in Deutschland zu sein und im Auslandeinsatz in Afghanistan sein Leben aufs Spiel zu setzen? Was heißt es, Kameraden zu verlieren und keine Anerkennung zu bekommen? Eine sehr berührende, und wie ich glaube, eine der sehr wichtigen Geschichten in diesem Buch. Soldaten im Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Auftrag und Ansehen.

Die Geschichte von 2015 lässt einen privilegierten Flüchtling zu Wort kommen. Privilegiert heißt nicht, dass da weniger Leid ist, nur dass „anders“ geflüchtet wurde. Ein Leben zwischen der Angst um die Angehörigen, der Trauer um den Tod von Freunden und dem Versuch, in einem neuem Land anzukommen, vorbildlich aktiv, mit Energie und Willen. Anis, ein gebildeter Theatermensch, der einiges auf die Beine stellt und trotzdem nicht weiß, wie es weitergehen kann. Herzzerreißend erzählt schließt sich hier der Kreis zur ersten Geschichte, als der Krieg in Deutschland zu Ende war und die Menschen auch damals nach einem Platz und einer Zukunft suchten.

Was soll ich noch sagen, außer: Lest dieses Buch, gebt es Euren Jugendlichen, kauft es Euren Freunden. So nachfühlbar und nah, und in gut zu lesenden Happen kommt Geschichte selten auf den Tisch. Es schafft Nähe und Durchblick, es lohnt sich sehr.

„Der Staunende ist der Liebende, bevor er weiß, dass er liebt“

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Acht deutsche Sommer

Wolfgang Büscher, Christine Kensche, Uwe Schmitt

rowohlt Berlin, 192 Seiten, 18,95 €

 

Deutschlandcomic

DSCN2958Von 1949 bis 2008 Deutschland in Bilder erzählt, ein fabelhaftes Buch. Richtig gut. Isabel Kreitz hat sehr verschiedene Ereignisse herausgepickt und jedem eine Seite zeichnungen gewidmet, links davon immer ein ganz kurzer Erklärungstext und das Jahr, z.B.

„Jetzt! neu! Der Supermarkt!“

1949 Im Sommer eröffnet die Hamburger Konsumgenossenschaft Produktion einen sogenannten „Selbstbedienungsladen“ nach dem Vorbild schwedischer Konsumvereine.“

Dazu dann eine kleine Geschichte die in einem altherggebrachtem Geschäft spielt wo die Hausfrauen dann über diese merkwürdige Idee der Selbstbedienung herziehn.

Immer wieder sind die Zeichnungen zum Text eine echte Überraschung und mit viel Humor erzählt. Wirklich immer eine Gute Idee dahinter.

Themen sind z.B. 1957 Pamir in Not, 1973 Ölfreier Sonntag , 1983 Der Bundestag sieht grün, sehr lustig ist z.B. auch die Story 1983 Herr Kujau geht einkaufen, falls sich jemand daran erinnert, da gabs ja später auch nen Film drüber usw.

DSCN2961Was mir ein wenig fehlt ist das Thema Ost West, es ist erheblich mehr Westdeutsche Geschichte vorhanden so das der Titel nicht ganz passt. Und 2011 als das Buch erschien wäre die Ostgeschichte ja schon wirklich gut möglich gewesen zu erzählen, ja das finde ich schon sehr schade. Man hätte das Buch von zwei Seiten aus erzählen lassen können.
Der Stil von Isabel Kreitz gefällt mir allerdings sehr gut. Sonst hat Sie sehr viele Kinderbücher illustriert wie z.B. Häschen in der Grube oder den Klassiker Pünktchen und Anton. Es lohnt sich ihre Seite mal zu besuchen, es gibt einiges zu entdecken. http://isakreitz.de/ Sie hat eine lange Liste an Werken, schon einige Preise gewonnen und zeigt aus vielem einen Ausschnitt.

Wer möchte, hier gibt es einen ausführlicheren Artikel zum Buch im Spiegel.

Isabel Kreitz

Deutschland ein Bilderbuch

19,99 €, erschienen 2011

Dumont Verlag

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Da wird sich nie was ändern“ – ein Comic zum Jahr 1989 in der DDR. Ein ebenso tolles, wenn auch ganz anderes Comic zur deutschen Geschichte. Den Jaja Verlag kannte ich bis dato noch nicht. Wie es aussieht ein ganz bezaubernder hochengagierter Verlag.

DSCN2959 DSCN2960Die Autorin, 1979 in Neubrandenburg geboren hat die Stimmung wirklich sehr gut rübergebracht un dich hab bei manchem Bild gegrinst wie Detailgenau Sie den Osten mit wenigen Strichen wiedergegeben hat.

Da Sie selbst erst 10 Jaher alt war im denkwürdigen 89iger Jahr hat Sie viel mit Leuten gesprochen und sich viele geschichten von damals erzählen lassen. Das Buch ist auch wirklich sehr authetisch. Es gibt eine Hauptfigur Karla 17, deren Vater bei der SED im Kreisbüro arbeitet, und kleinere Nebengeschichten. Alles inklusive Flucht und Spitzel, und natürlich den Demos damals. Echt Gut.
Ein ähnliches Buch hatte ich letzten Sommer schon mal ausgeliehen – also unsere Bibliothek ist da wirklich gut am Start mit den neuen Comics – Die Geschichte „Grenzfall“ die auch die Stimmung kurz vorm Mauerfall wiederspiegelt. Wichtige Zeitgeschichte gut erzählt und auch für junge Menschen perfekt aufbereitet. So mag ich Geschichte. Nah dran und verständlich, erzählt in Biografischen Skizzen.

Wer noch mehr wissen will klickt einfach mal auf den Ttel, dort gibts auf der Verlagsseite noch mehr Bilder und Text. Ja und den Verlag werd ich auch mal versuchen im Auge zu behalten, gefällt mir Megagut. So herrliche Themen, so eine Vielfalt, schaut unbedingt mal rein. Ganz besonders interessieren würde mich ja das. Oder auch das Drachenbuch, die Postkarten, der Turnbeutel, das Origamipapier, das Abc Berlinbuch und und und 🙂

Ulla Loge

Da wird sich nie was ändern

18,- €, erschienen 2015

JaJa Verlag

Die Mutter meiner Mutter – Sabine Rennefanz

DSCN2673Auf das Buch war ich sehr gespannt. Vor einiger Zeit habe ich auch „Eisenkinder“ gelesen was mir zuerst nicht so gefallen hatte, dann aber Seite um Seite mehr. „Die Mutter meiner Mutter“ habe ich sozusagen gefressen. In 2 Tagen durchgelesen. mich hinein gestürzt, die Geschichte aufgesogen.

Die Geschichte hat im Grunde nicht so viel mit mir selbst zu tun aber irgendwie doch, so als Kriegsenkelin, die hier Parallelen findet zu den Menschen in Ihrem Leben. Solche Geschichten zu lesen, vor allem solche aus dem Osten von Deutschland ist schon auch eine Suche nach eigenen Antworten.

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An sich wäre alles schnell erzählt – ist es aber nicht, es bleibt insgesamt vieles offen auch auf die Frage warum es „Die Mutter meiner Mutter heißt“ anstatt meine Oma oder so. Daran störe ich mich aber nicht, denn um gewisse Dinge erzählen zu können braucht es Abstand zu den Dingen .

Eine Buchhändlerin, die hin und wieder Lesungen anbietet, sprach ich auf dieses Buch an und ob das nicht mal eine schöne Einladung wäre, die Sabine Rennefanz. Die Buchhändlerin meinte, wer will schon zu einer Veranstaltung kommen wo es um die Geschichte der Vergewaltigung der eigenen Großmutter geht. Diese Antwort hat mir ein wenig die Sprache verschlagen, denn dies so auszudrücken wird weder dem Buch gerecht noch der Thematik, die eben soviel weiter greift. Und wenn Sie es schon so auf den Punkt benennen will, wie sehr hat doch Gewalt an Frauen uns alle geprägt? Wie sehr sitzt diese Gewalt in unseren Genen? Wie sehr die Angst und der Schmerz? Und wie wichtig sind deshalb genau solche Bücher? Und wie wichtig ist es dies auch in die Öffentlichkeit zu bringen!

 

Wenn schlimme Dinge passieren sind diese nicht einfach vorbei, und genau darum geht es in diesem Buch. Das was passiert, ist sehr sehr lange ein Geheimnis und im nachhinein zieht die Autorin vielleicht so etwas wie ein Resümee, im Versuch der Erzählung, die ich immer als ein tasten und suchen empfunden habe, als ein vorsichtig sein, achtsam und bedächtig. Aber genauso finde ich auch einen Willen zur Wahrheit, ein verstehen wollen und sich annähern, genauso wie ein sich neu finden in der Verortung innerhalb der Familienkonstellation, die ja nach dem Lüften des Geheimnisses eine andere ist. Und wie es vielleicht manche Kinder und Enkel von Tätern erleben – dieser Schock, das die geliebte oder gedacht gekannte Person eben auch jemand ganz anderes war.

Was wissen wir Kinder und Kindeskinder schon? Das meiste was wir wissen, wissen wir doch aus den Erzählungen, wenn denn überhaupt erzählt wird. Wieviel wird sich automatisch zusammengereimt aus kleinsten Andeutungen und kleinen Fragmenten um die herum man eine Geschichte wachsen läßt. Vermutlich der Ordnung halber? Oder um sich daran festzuhalten? Um nicht ewig im suchen zu schwimmen?

Wie schwer ist es sich dem Unglück der Vorfahren zu stellen, wie viel schwerer noch sich den Taten der Täter in der eigenen Familie.

Der Großvater kam damals aus der russischen Gefangenschaft zurück…  auch einer meiner Großonkels kam von dort wieder, sehr spät, so wie auch der Friedrich Stein, mit dem man schon gar nicht mehr rechnete. Seine Möbel waren verschenkt und in seinem Haus lebten Flüchtlinge…

Sabine Rennefanz scheint mir soviel zu erzählen wie nötig aber nie mehr. Es bleibt viel Spielraum. Es wird viel in Andeutungen geschrieben, nichts schreckliches ausgesprochen. Und ist nicht gerade das die Stimmung die man auch kennt? Und die einem wenig Halt gibt? …die es auch aushaltbar machen.

Die Andeutungen reichen, und sind vielleicht auch gerade gut weil Raum bleibt für die eigene Geschichte. Das sind doch immer die besten Bücher, also die, in denen man sich selbst ein Stück weit wiederfindet. Und auch ist das schlimme doch gerade wenn es einen selbst betrifft, nicht immer gut aussprechbar, zumindest geht es mir so, und das finde ich auch gut so, da es schützt vor einer weiteren Entblößung.

Und eins wird klar, wie sehr die Vergangenheit, auch wenn sie geheim war, unser Leben heute prägt. Die Menschen prägt und die Art wie Sie leben. Ich bin so vertieft gewesen das ich mit meinen Markierungen gerade nicht viel anfangen kann und von daher hier auch nichts zitieren möchte.

Die 3 Töchter von Friedrich weinen zusammen als er gestorben ist – das fand ich sehr ergreifend und schön, die Mutter der Mutter räumt alles aus dem Haus was Friedrich gehört hat…

Das Buch spielt heute und gestern – an beiden Orten könnte man den Eindruck haben das von verschiedenen Personen die Rede ist, doch nur zusammen ist verständlich um was es geht.  Es muß ein großer Schmerz gewesen sein für die Autorin, aber ich denke es ist auch sehr sehr heilsam darüber zu schreiben und die Geschichte zu erzählen.

Das Buch hat mich sehr berührt. Die Umschlaggestaltung passt ganz wunderbar und ganz hinten auf dem Einschlag findet sich ein wirklich besonderes Foto der Autorin was ich mir lange angeschaut habe, wir sind fast derselbe Jahrgang.  „Die Mutter meiner Mutter“ empfinde ich ähnlich wichtig wie „Die Mittagsfrau„, es läßt sich aber leichter lesen und hinterläßt auch ein bisschen mehr Hoffnung. Diese Bücher sind auch eine Geschichte der Frauen. Und wir Enkelinnen spüren den Schmerz, nicht wie unsere Mütter die verdrängen, abspalten, nicht wissen wollen, so tun als ob und funktionieren, und trotzdem alles an uns weitergegeben haben. Negieren hilft nicht, das ist klar, zumindest uns. Und doch ist gerade das eben auch eine Folge des Traumas das Dinge getrennt sind die ohne das Trauma eine Einheit bilden würden.

Erzählte Geschichte. Die Politik der Kriege und der Unmenschlichkeit, wie Sie sich wiederfindet in den Familien, das wird einem klar mit solchen Büchern. Ich empfinde dieses erzählen als essentiell für die deutsche Identität, auch für die Identität als Frau, denn ich bin auch alle meine Ahninnen, Sie sind alle in mir. Es spielt eine Rolle woher wir kommen.

***

Die Mutter meiner Mutter

Sabine Rennefanz

256 Seiten,  19,99 €

Verlag: Luchterhand Literaturverlag

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