Momentan tourt eine Ausstellung durch Deutschland. „Voll der Osten“ Fotografien von Harald Hauswald, der 1954 in Radebeul bei Dresden geboren wurde und mit Anfang 20 nach Ostberlin ging.
Dazu gibt es ein wunderbares Bildband, welches der Berliner Jaron Verlag herausgebracht hat.
Leider habe ich selber die Ausstellung bis jetzt nicht gesehen, aber ich habe nun das Buch, welches ich liebenswürdigerweise vom Jaron Verlag zur Verfügung gestellt bekam. Vielleicht fast noch besser, so kann ich mich hier ganz in Ruhe in die einzelnen Bilder vertiefen.
„Wer Fotos der DDR der achtziger Jahre für eine Publikation sucht, legt Bilder oft mit der Bemerkung beiseite, dass diese offenbar aus der Nachkriegszeit stammen. Der Verfallszustand der Städte war grausig.“
Zitat aus „Verfall“
Ich habe ein großes Faible für Fotografie und besonders für Alltagsfotografie. Der Fotograf Harald Hauswald ist bekannt für seine dokumentarische Arbeit. Er fotografierte was andere (mit Absicht) übersahen. Er zeigte die Welt hinter der Propaganda.
Zu jedem Bild gibt es einen kleinen Text, verfasst vom Historiker Stefan Wolle. Zwischendurch werden Schlüsselbegriffe von Hauswald aufgegriffen wie „Widerspruch“ oder „Sehnsucht“ zu denen es dann jeweils eine Deutsch/Englische Doppelseite zu lesen gibt.
„…Über allem schwebt die sozialistische Gesellschaftsordnung, die durch die Staatsordnung garantiert wird […] Bei so vielen Verordnungen fragen sich viele Zeitgenossen oft, warum überall Unordung herrscht.“
Zitat aus „Ordnung“
Die Atmosphäre ist so nochmal ergänzend eingefangen. Wenn man sich darauf einlässt, betritt man hier eine ferne Welt, und kann kaum glauben, dass dies alles noch gar nicht so lange her ist. Bei mir kommen auch Erinnerungen hoch und mich fasziniert der Band sehr. Viele Themen werden aufgegriffen. Der Kosmos des Alltags der DDR. Jugend und Alter, Wildheit und Ordnung. Die kleinen Nischen des privaten Glücks. Protestbewegung. Aber auch den ganz normalen „staatlichen“ Alltag mit seinen Symbolen und Normen bekommt man zu sehen, inklusive Verfall und Großbauten. Kinder, Soldaten, Arbeiter, Jugendliche.
Die Tristesse, die für mich eng in Verbindung steht mit der ehemaligen DDR, ist hier wunderbar eingefangen. Genauso wie das Leben, was sich eben nicht einsperren lässt. Ganz bezaubernd immer wieder die Bilder von neugierigen Kindern, oder von Ausbrüchen und vom Widerstand junger Menschen, die sich z.b. auch in der DDR durch ihr Aussehen abhoben. Dazwischen ein Sportfest, in Reih und Glied und Männer in Uniformen – Polizisten, Soldaten, Arbeiter. Am Ende des Buches wird von einem liebevollem Blick des Fotografen gesprochen, dem kann ich nur zustimmen. Damals gab es Ärger wegen der Bilder, heute sind Sie ein wunderbares Zeitdokument, und ich möchte eine große Empfehlung aussprechen.
„Ich wollte den Osten, ohne Schminke zeigen, so wie ich ihn gesehen habe“, sagt Hauswald
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auf Youtube gibt es einige Videos mit Hauswald, in denen er über seine Bilder spricht
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Hier kann man sich einen Eindruck über die Fotografien verschaffen, es kann gut sein das man schon eins kennt: https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/voll-der-osten-ausstellung-101.html
Infos zur Ausstellung, die bestellt werden kann: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/voll-der-osten-6611.html
Ein schöner Artikel zur Ausstellung: https://www.sz-online.de/nachrichten/kultur/voll-der-osten-3878943.html
Die Seite des Fotografen: http://www.harald-hauswald.de/
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herausgegeben von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und OSTKREUZ Agentur der Fotografen