Der Sommer ihres Lebens

Eine Amsel. Sie singt ihr Lied. Und dann begegnen wir Frau Wendt. Vor dem Speisesaal. Sie macht sich Gedanken über Zeit und Ewigkeit und überlegt wohin Sie muß.
Frau Wendt läuft an ihrem Rollator durchs Haus und nach draußen. Immer wieder verschwimmt das Jetzt und Erinnerungen tauchen auf. Wir dürfen dann das „Mädle“ kennenlernen, welches in Mathe so viel besser wie die Buben war.
Das ist eines meiner Lieblingsbilder aus dem Buch. Es erzählt soviel über diese Geschichte und die Erzählweise. Gerda wie sie springt und Gerda wie sie nur noch langsam mit dem Rollator vorwärts kommt. Mir schnürt es ein wenig die Kehle zu.

Es wird schnell klar das Gerda eher eine Außenseiterin war, was mich persönlich gleich mit ihr verbindet, weil es mir auch so ging. Und Gerda hat eigene Interessen und weiß sich zu beschäftigen.
In kleinen dunklen Kästchen erzählt die Stimme aus dem Off…  Gerda Wendt die sich erinnert, …sich erinnern will.

Mein nächstes Lieblingsbild: Gerda mag Zahlen und Sterne, von denen sie sagt sie sind ihr ähnlich… sie sind da, auch wenn man sie nicht sieht. *Schluck*
Ist das nicht wundervoll getroffen, dies Spiegelung in der gedachten Fensterscheibe?
Gerda beginnt einen vielversprechenden Weg und doch, wie bei sovielen Frauen, gibt es die Institution Ehe und ein Kind. Aber das ist nicht das Ende der Geschichte.
Ich möchte nicht viel mehr verraten. Ihr sollt das Buch ja selbst entdecken.
Eine Anmerkung ist mir noch wichtig, mir gefällt das das Altenheim neutral bis positiv dargestellt ist.
Mein letztes Lieblingsbild zeige ich nicht, es ist das mit den vielen „i“´s.
Dieses Grafik Novel berührt sehr. Liegt es am sentimentalen der Erinnerungen – wie es eben Erinnerungen so an sich haben? An der „schwere“ und den „Umständen“ des Alterns? Oder weil ich persönlich Verbindungen ziehe? An der eigenen Einstellung zum Tod, der ja unweigerlich folgt? Irgendwann ist es zu Ende. Für jeden von uns. Wir treffen Entscheidungen. Dinge nehmen ihren Lauf und wie Gerda sagt: „am Ende bleibt nur eine Möglichkeit übrig, eine Wirklichkeit.“
Die Farben und Zeichnungen ziehen mich ganz schön hinein in die Geschichte. Aber auch die Geschichte selbst berührt mich sehr. Es bleibt ein Kloß im Hals. Ein Menschenleben.

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Der Sommer ihres Lebens

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80 Seiten, farbig, 19 x 29 cm, Hardcover

20,- €,  Reprodukt

Die andere Seite – 17. Juni ´53

DSCN2987Vor kurzem hatte ich „Deutschland als Bilderbuch“ vorgestellt, es war im Grunde genommen nur Westdeutschland gemeint (obwohl das Buch von Deutschland spricht), bis auf wenige Ausnahmen. Auch in vielen Filmen wie z.B. dem kürzlich gesendetem 3 Teiler Ku`damm 56 wird Westdeutschland dargestellt, alles arg nett. Hübsch, bunt, bisschen Revolution der Jugend, aber sonst? Alle sind versorgt und in den besten Kleidern gekleidet und Mangel an Nahrung oder Wohnraum wird schlichtweg nicht thematisiert.
Gut am Rande bekommt man etwas von der anderen Zone, dem Osten mit – da gehts dann um die neue sozialistische Bewegung, Versammlungen, aber eben nur ganz am Rand. Und leider auch nur positiv dargestellt. So als wäre der Krieg zuende und einfach alles wieder ok. (die Fortsetzung von Kudamm ist ein bisschen besser aber auch glattgelutscht)

In „17. Juni – die Geschichte von Armin und Eva“ dagegen dreht es sich um den Osten, also der Zone, die unter Stalins Macht stand und sowjetisiert werden sollte, als Arbeiter- und Bauernstaat. Ich hatte das Thema damals in meiner Geschichtsabschlußprüfung und habe nach diesem Comic gemerkt das die Schulbücher doch auch ziemlich viel weggelassen haben.

Was war das für eine Zeit, 8 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs? Vielleicht war es ja im Westen wirklich alles schon so hübsch, im Osten war es das nicht, dort gab es noch Lebensmittelmarken und die Arbeit war hart, es ging darum den Soll zu erfüllen, der immer wieder angezogen wurde. Bauern wurden enteignet, zwangsintegriert in die LPG – den landwirtschaftlichen Großbetrieb der DDR.

Den Rahmen bildet eine sehr traurige Liebesgeschichte. Der Lauf der Dinge im Frühsommer ´53 wird dem Leser sehr gut nahe gebracht. Viele unschuldige Menschen sind damals im Gefängniss gelandet oder im Gulag, den Arbeitslagern der Sowjetunion. Vom Regen in die Traufe. Viele flüchteten schon vorher in den Westen und viele wohl auch danach, bis dem später durch den Bau der Mauer ein Ende gesetzt wurde.

DSCN2988Solche Momente unserer deutschen Geschichte dürfen nicht vergessen werden. Es darf nicht vergessen werden das die DDR ein Unrechtsstaat war, der am Ende doch genauso seine Bürger missbrauchte wie der Nationalsozialismus dies tat. Diese Zeiten sind lang noch nicht aufgearbeitet.

Meine Mutter ist 53 geboren, und wenn ich mich da mal so richtig hineinversetze was für Zeiten das waren, wie die Welt für die Menschen damals aussah in der DDR. Wie wenig Freiheit es gab, wie grau alles war und wie förmlich vorbestimmt die Lebenswege durch den staatlichen Einfluß, wie geschlossen das Land. Das ist schon eine ganz andere Welt wie heute. Immer wieder heftig wieviel sich in einem Menschenleben ändern kann.

Das kleine Buch hier konnte durch Förderung der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung realisiert werden. Ich kann nur sagen: bitte mehr davon. Das ist Geschichte wie man Sie gut versteht, weil Sie so erzählt wird wie die Menschen sie erleben. Ich hoffe auf Fortsetzungen. Wirklich tolles Projekt mit viel Inhalt.

 

Autoren: Alexander Lahl, Tim Köhler, Max Mönch

Illustration von Kitty Kahane

17. Juni – Die Geschichte von Armin & Eva

Verlag Walde+Graf bei Metrolit

http://www.museumsmagazin.com/2013/03/berlin/die-geschichte-von-armin-eva/

schaut auch mal hier beim Tagesspiegel

http://www.planet-wissen.de/geschichte/ddr/geteilte_stadt_berlin/pwiejunideraufstand100.html
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andere Comics:
https://reingelesen.wordpress.com/2015/07/29/widerstandscomic-grenzfall/
https://reingelesen.wordpress.com/2016/08/25/wendecomic-treibsand/

 

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