Der letzte grosse Trost

DSCN4042Ein etwas sperriges kleines Buch, das erst spät Fahrt aufnimmt. Ein Buch, bei dem das Cover so richtig gut passt und auch der Klappentext die Wahrheit spricht. Und ein Buch, über das sich schwer berichten lässt ohne zu spoilern.

Der Autor schreibt sonst eigentlich eher Kinderbücher, das fand ich doch überraschend im Hinblick auf den ernsten Ton des Buches. Aber vielleicht hat die Leichtigkeit der Kinderliteratur ihm geholfen, sich diesem Familienroman zu widmen.

Am Rand geht es um ein Haus, das verkauft werden soll, vom Zweig der Familie, die ausgewandert ist und von der niemand mehr übrig ist, um vorbei zu kommen. Die letzte Dame ist zu alt. Also nimmt unser Protagonist das selbst in die Hand und findet nicht nur Leere, sondern viele Erinnerungen und vor allem ein kleines Heft mit wenigen, aber sehr aufregenden Notizen des Vaters. Eine Geschichte, die sich durch die Generationen zieht.

Es geht um die Frage, wie es ist mit dem Weiterleben, wenn im Krieg so viele zurück geblieben sind – auf beiden Seiten. Wie das ist, wenn wieder so was wie Normalität eingekehrt. Zumindest auf der einen Seite. Der andere Teil der Familie hat weniger Glück. Aber ist es überhaupt Glück oder auch eine Leere, die nach schrecklichen Ereignissen unmissverständlich spürbar ist?

Daniel, den wir durch das Buch begleiten, hat trotz Glück mit der Normalität zu kämpfen, dem frühen Tod des Vaters. Der Tag, als er das alte Haus besucht, ändert alles zutiefst. Ein bisschen ist es so, als hätten die Dinge nur darauf gewartet. Wie leben wir unser eigenes Leben? Woran erkennen wir, dass es unser Leben ist? Und worum geht es eigentlich?

Am Ende lebt er für eine einzige Sache und ist in dieser für sich ganz allein. Jahrelang bereitet er sich vor, ohne mit jemandem darüber zu sprechen. Lebt er in diesen Jahren eine Lüge den anderen Menschen in seinem Leben gegenüber?

Es geht um Beziehungen und die verschiedenen Formen von Beziehungen, ganz besonders um die Beziehung zur eigenen Spiegelperson, die einen kennt. Der ohne Worte klar ist, was los ist. Die dich anschaut und deinen Aufruhr im Inneren mit einem Satz zu hinterfragen weiß.

Und es gibt Rettung – eine Rettung, die aber nicht in dir liegt, sondern dort, wo der Anker deines Lebens sich verhakt hat. Das hat mich am Ende des Buches sehr froh gemacht. Denn auch hier: Erst das Ende der Geschichte sagt dir, was für eine Geschichte es war.

Ein Resümee: Liebe ist.

Hier gibt es ein ausführliches Interview mit dem Autor auf der rowohltschen Verlagsseite

 

 

Bernhard Schlink – Sommerlügen

Es ist erstaunlich wie sich der Blick auf das Geschriebene ändern kann im Laufe der Jahre.  Jedes Buch hat seine Zeit. Und manche auch mehrere.  Herr Schlink, Jahrgang 44 (auch ein Kriegskind) hat ja mit „Der Vorleser“ – erschien 1995, ein Buch geschrieben was innerhalb von ein paar Jahren in den Klassikerkanon einging, und soweit ich weiß, heute zur Schullektüre gehört. Ich muß es so um das Jahr 2001 herrum gelesen haben. Und ich muß sagen es ist mir nicht besonders in Erinnerung geblieben. Warum auch immer. Ich werde es wohl nochmal lesen. Denn Sommerlügen ist ein wahres Kleinod.
Der Unterschied allerdings: es sind Kurzgeschichten. Und diese erzählen so äußerst Präzise, so daß das um was es geht, hinter den Worten sehr klar und deutlich wird. Ich finde das eine große Kunst. Etwas was man unbedingt an Themen erzählen möchte nicht platt nach vorne zu tragen, sondern so gekonnt und elegant in die Zwischenräume eines Geschichtenverlaufs zu verpacken, das es fesselt, mitnimmt und klärt.

DSC_0429Ich dachte bis fast zum Schluß das „Sommerlügen“ ein Buch der Männer ist. Denn bis auf die letzte Geschichte wird von Männern erzählt bzw. erzählen Sie über sich. Ich fand das sehr logisch das ein Mann über Männer schreibt, das macht es mir doch gleich glaubwürdiger. Aber in der letzten Geschichte berichtet er aus dem Blickwinkel einer alten Frau. Und auch hier fügt es sich alles gut zueinander. Vielleicht ist diese Frau so glaubwürdig weil Sie sehr männlich in Ihrem Verhalten ist…so wie die meisten Menschen dieser Generation: funktionierend, Ihre Pflichten erfüllend.

Die anderen Geschichten handeln allesamt nicht von Männern die es schwer haben weil sie lügen, sondern die sich das Leben schwermachen bzw. sich schwertun, sich selbst und anderen, und dann dadurch bei der Lüge enden. Ist die erste Geschichte: Nachsaison eine noch leichte Art des Ringens, die durchaus ein „nettes“ Ende implizieren könnte, wenn da nicht der Titel des Buches wäre, so geht es doch in „Die Nacht in Baden-Baden“ stellenweise sehr viel saftiger zu. Da entstehen aus vielen kleinen Lügen, der Mann erkennt sie nichtmal wirklich als solche, für Ihn ist es ein Verschweigen – der Einfachheit halber, irgendwann eine die keine genaue Grenze mehr hat und die Beziehung so in Frage stellt, das sie stellenweise einer Farce gleicht. Für uns als Leser natürlich alles leichter zu durchblicken, als für den jeweiligen Protagonisten der ja immer nur seinen eigenen Ausschnitt kennt. Eigentlich ist es eine Mischung aus Verständnis für den Wunsch danach sich durchs Leben treiben zu lassen und der Tatsache wie er seine „Frau“ als etwas gegebenes behandelt, fast wie ein Einrichtungsstück, die ja nichts zu wissen braucht, denn dann müßte er ja darüber reden oder sogar etwas erklären. Irgendwie sehr traurig aber am Ende auch befreiend klar. Für mich als Leserin.

„Ist die Wahrheit, von der Du sagst, du brauchst sie als Boden unter den Füßen, nicht immer nüchtern?““Nein, die Wahrheit, die ich meine und brauche, ist nicht nüchtern. Sie ist leidenschaftlich, manchmal schön, manchmal häßlich, sie kann dich glücklich machen und kann dich quälen, und immer macht sie Dich frei. Wenn Du es nicht sofort merkst, dann nach einer Weile […] dann wird klar, das nicht sie dich quält, sondern das wovon sie die Wahrheit ist.“

Der Mann wird das bis zum Ende nicht verstehen, und so wie er ist, sich weiter treiben lassen, keine Entscheidungen fällen. Die Frau hat erkannt das jede Wahrheit, auch die noch so schmerzhafteste besser ist als die klügste Lüge. Das kommt vielleicht drauf an wie man selbst Beziehung sieht, und wie und was man lebt. Und ob man selbst schon einmal gelitten hat unter Lügen oder lügen, um die Geschichte so oder so einzuteilen. Ich wünschte ich könnte das, was ich zu sagen haben so einbetten in eine flüssige Erzählung, ohne mit dem Finger drauf zu zeigen um was es geht.

Die 3. Geschichte „Das Haus im Wald“: Auch hier ein Mann, der seinen Kram, sein Leben, am Ende einfach nicht auf die Reihe bekommt. Sich einem Pseudoentwurf widmet, einem Traum, in welchem er jede Menge Spielraum hat, dies aber nicht erkennt. Und so seine Probleme auf anderes projiziert und irgendwie dann ganz schön austickt. Gut geschrieben, wunderbarer Dramabogen.

„Der Fremde in der Nacht“ hat mir persönlich nicht so gut gefallen, irgendwie bekommt die Geschichte für mich den Bogen nicht. Und es würde mich sehr interessieren wie andere LeserInnen das so wahrnehmen.

Dann „Der letzte Sommer“ – es braucht ein Weilchen bis sich diese Geschichte gesetzt hat. Ich spüre hier eine starke Verbindung zum Hintergrund der „Baden-Baden“ Geschichte. Ein Mann fächert im Rückblick sein Leben auf und fragt auch seine Frau danach, und ich kann verraten es gibt einiges an Erstaunen auf seiner Seite. Ich habe so den Eindruck wenn all die Männer sich Ihren Frauen gegenüber geöffnet hätten, wie anders hätten die Geschichten verlaufen können. Männer/Männlichkeit ist/sind ja dafür bekannt die Dinge mit sich selbst auszumachen, aber sie liegen so oft so extrem daneben damit. Warum? Weil sie in all Ihrem Denken die Gedanken nicht zu Ende denken und den Personen die damit zu tun haben vielleicht Dinge unterstellen – im Guten wie im Schlechten, die so überhaupt nicht wahr sind, sondern reine Fiktion. Und am Ende wird dieses sich – ich weiß doch wie der andere das sieht und was das wird – das Wissen, das nur eine Vermutung ist, zu einer Lebenslüge, oder eben einem Leben was auf Vermutungen fußt und damit nicht wirklich wahr ist…es bleibt blass und oberflächlich…gar routiniert?

Dann noch die Vorletzte Geschichte, „Bach auf Rügen“ – war auch nicht ganz so mein Ding. 2 Männer. Vater und Sohn, bzw. Sohn mit Vater. Doch was wirklich wunderbar geschrieben ist: das Verhältnis der beiden spiegelt sich phantastisch in der Stimmung der Zeilen, auch wenn Sie für mich am Ende ins Leere läuft, was aber vielleicht so auch ganz passend ist.

Wahrscheinlich die längste und genaueste Rezension, die ich je geschrieben habe. Dabei ist es so kalt geworden über Nacht. Die ersten Eisblumen am Fenster, und  Fingerlinge (Handschuhe ohne Finger) an den Händen. Die warme dicke Katze auf dem Schoß, und der Ofen der nicht so schnell warm wird, wie ich es mir wünschen würde. Das Buch muß leider zurück in die Bücherei. Es wurde vorbestellt und es ist schon zu spät. Deswegen waren die Zeilen jetzt zu schreiben, bevor es weg ist, das Buch. Es wird innerlich mit einsortiert auf der Liste meiner Lieblingsbücher.

SommerLügen

Ein kleines feines Büchlein liegt momentan in Reichweite. ich muß mich beeilen mit lesen, denn es ist vorbestellt in der Bibliothek (menno).  Erstmal wollte ich schon immer mal wieder etwas von Schlink lesen, auch das ist nämlich locker schon 10 Jahre her, damals „Der Vorleser“ – das wohl bekannteste Werk, inzwischen ja auch verfilmt. Zweitens liebe ich Kurzgeschichten – obwohl diese hier gar nicht so kurz sind. Drittens geht es um das Thema Beziehungen und Lügen – hier habe ich selber sehr leidvolle Erfahrungen gesammelt. Und dies dann nun mal so auf Papier in verschiedensten Varianten zu lesen, ja das schien mir Interessant zu sein, vielleicht auch um eigene Antworten auf meine Geschichte zu bekommen.

Am Anfang wirkt es wie eine normale nette Pärchengeschichte, alles etwas prätentiös, wie es viele „Liebes“geschichten heute so an sich haben. Und auch das Ende läßt Deutungsspielraum. Wenn ich dann das Buch zuklappe und den Titel lese ist dieser aber sofort verschwunden und es führt zu einem klarem Ende der Geschichte, und irgendwie auch einem „enttäuschenden“. Aber so ist das Leben. Happy Ends sind wahrscheinlich wirklich eine Erfindung von Hollywood. Auf der anderen Seite, irgendwo müssen auch die Ihr Klischee ja schließlich herhaben. Also gut, ich lasse beides gelten. Es kann so laufen oder so. Sicher sind Lügen mit das Schlimmste, vorallem so große, oder kleine die durch Nichtkommunikation zu Riesen werden oder auch durch Selbstbetrug und dem Schwimmen im See der Opferitis, dem anderen Gegenüber zu erheblichen Fairnessmängeln führen (was am Ende auch im Lügen endet.) Wie gesagt ein feines Büchlein. Habe dazu passen noch Banana Yoshimoto hier liegen, mit „Federkleid“. Denn es sind ja immer zwei Seiten. Eine die lügt und die andere die nichts bemerkt…. oder so ähnlich.

Ich danke für Deine Aufmerksamkeit

Ps.: Ich finde Diogenes Bücher einfach schön, und auch hier wieder ein sehr schönes und passendes Titelbild – wer erkennt den Maler?

Pss.: Mara, irgendwie passt es auch zu Sommertöchter, oder? Also auch das mit den Lügen…ist Verschweigen lügen? Irgendwie schon, oder?

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