Wie wenn man ein Papier entfaltet, so entfalten sich hier die Geschichten der 3 Protagonisten, um die sich das Buch dreht. Eine, erst mal nicht so spannend wirkende – 3 Personen auf einem Bahnhof, aber durchaus vielversprechende, Ausgangslage und der etwas merkwürdige Titel des Buches habe mich sehr angesprochen.
Ein Mann der für die Kameraüberwachung an einem Bahnhof eingeteilt ist und 2 Menschen, ein Mann und eine Frau, die dort auf einer Bank am Bahnsteig sitzen und auch sitzen bleiben.
„Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte“ erinnert mich ein wenig an „Die geschlossene Gesellschaft“ von Sartre. Nur das es in diesem Kreis eine Unbekannte gibt und nur 2 die sich kennen. Trotzdem ist die ganze Geschichte wie ein kleines Universum für sich in welchem 3 Welten aufeinandertreffen.
Ein Buch darüber, das, wie die Dinge wirken und aussehen, nicht unbedingt damit was zu tun hat wie Sie wirklich sind. Das Wege, die wir in unserem Leben gehen, sich sehr abrupt ändern können. Das es hilft beieinander zu sein, und den Dingen und den Nächsten, auch dem Unbekannten, seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Lucy, Marotti, Simon „begegnen“ sich und uns in einem Moment der Veränderung. Hier im Basler Bahnhof, einem Ort für Ankunft und Abschied, treffen Sie aufeinander, in einem Moment des Luftholens und Still seins, in diesem kurzem Zeitraum des gerade-woher-kommens-und-noch-nicht-wissen-wohin-gehens. Einem sehr offenem und zugleich auch erstmal sehr verschlossenem Punkt Ihres Lebens. Wir als LeserInnen lernen nach und nach alle 3 besser kennen. Marotti der Polizist interpretiert sich in das Paar auf der Bank beim stundenlangen beobachten hinein. Lucy und Simon kommen sich näher in den langen Stunden, jeder auf seine Art, jeder nach seiner Prägung.
Während Marotti beim beobachten nach und nach den Eindruck gewinnt durch pure Gedankenkraft das Tun der beiden Personen auf der Bank beeinflussen zu können und sich das Beste wünscht. Bleibt Lucy lange in Ihren eigenen Gedanken und Gewohnheiten. Simon dagegen sucht Orientierung und irgendeinen Weg aus seiner recht aussichtslosen Lage.
Wirklich ein schönes Setting, welches nach und nach an Tiefe gewinnt und uns Stück für Stück Einblick gewährt, vor allem in Lucys und Simons Leben. Ein Kammerstück zum mehrfach lesen. Ich möchte einerseits nicht mehr erzählen um nichts zu verraten und andererseits fällt es mir auch schwer aus den bewegten Lebensgeschichten ein, zwei Sachen herauszupicken, denn ich möchte da keine Wertigkeiten setzen. Welche Dinge im jeweiligen Leben welche Rolle spielen und wie wichtig oder egal sie sind muß jeder selbst aus seinem eigenem Kontext entscheiden. Soviel sei noch gesagt es gibt ein offenes aber gutes Ende.
Ich denke ich werde es noch dieses Jahr ein zweites mal lesen.
Ich habe das Buch vom Nautilusverlag bekommen mit einem Handgeschriebenem Kärtchen, das fand ich ziemlich toll und so wunderschön persönlich, herzlichen Dank dafür. Der Verlag hat eine recht bewegte Geschichte, ein kurzes Porträt findet sich hier ->
Schaut mal rein, ein interessantes und kritisches Verlagsprogramm erwartet Euch
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Marie Malcovati
Nach allem was ich beinahe für Dich getan hätte
Roman, Edition Nautilus, 16 €