Einige Texte sind zusammen gekommen und es werden noch mehr
Weibliche Realitäten – ein Erzählraum der noch viel mehr Stimmen braucht, Erfahrungen die geteilt werden, Erleben welches weitergegeben wird und Ausdruck findet. In den nächsten Wochen werde ich noch einige eingetroffene Texte veröffentlichen. Es ist aber auch noch Raum für mehr. Es gibt noch so so viele Themen. Vielleicht fühlst du dich inspiriert, dann melde dich gern und sei dabei. Hier findest du die bisherigen ganz wunderbaren Texte:
Als ich im Jahr 2004 begann, mir die Beine und Achseln zu rasieren, war das unter Mädchen bereits ein ungeschriebenes Gesetz. Es war einfach so. Es gehörte dazu. Niemand dachte wirklich darüber nach warum es so ist, man tat es einfach. Das ist jetzt fast zwanzig Jahre her. Sexuell aktiv wurde ich erst später, mit 19 Jahren, und damit begannen die Enthaarungsprobleme. Ich wusste, dass von Frauen erwartet wurde, komplett haarfrei zu sein. Das war schon damals die verbreitete Botschaft der Medien und der Werbeindustrie. Die Frauen im Schwimmbad, in der Öffentlichkeit, genauso wie im Fernsehen waren allesamt haarfrei. Die einzige Körperstelle an der Haare erwünscht waren, war der Kopf. Diese „Normalität“ hatte ich, obwohl noch ganz unerfahren, bereits verinnerlicht. Also rasierte ich mir zum ersten Mal den Intimbereich. Nicht, weil mich die Haare wirklich störten, sondern weil ich alles richtig machen wollte. Gefallen wollte. Sexy sein wollte. Dass die anderen Frauen es genauso machten, bestätigte mich in dem Glauben, es müsste so sein, es würde zum Frausein dazu gehören. Man hätte keine Wahl. Damit nahm der Kampf gegen Hautirritationen, Juckreiz und die netten kleinen Entzündungen, die durch das Rasieren oder Ausreiẞen der Haare entstehen, seinen Lauf.
Meine Teenagerzeit liegt schon ein paar Tage zurück und ich musste tatsächlich erst die magische 30 überschreiten, um mich dafür zu entscheiden, meine Körperhaare nicht mehr ständig (fast täglich) zu rasieren. Es ist ein Thema, das bis heute vor allem jugendliche Mädchen und junge erwachsene Frauen beschäftigt und nur selten hinterfragt wird. Die wenigen, die sich dem Enthaarungszwang verweigern, werden mindestens (vor allem im Sommer) mit schiefen Blicken belästigt, wenn nicht sogar mit Anfeindungen und Beleidigungen. Selbst von Frau zu Frau findet die gegenseitige Bewertung und Abwertung statt. Die meisten Mädchen und Frauen haben diesen Hass von Männern übernommen und hinterfragen ihn lange Zeit nicht, manche auch niemals.
Das Internet war schon früher voller Tipps und Tricks, die angeblich gegen Probleme bei der Enthaarung helfen sollten. Der Tipp, die Haare einfach nicht zu entfernen, sondern z. B. nur zu stutzen, tauchte nirgendwo auf. In meinen längeren Beziehungen (zu anderen Frauen) stellte sich dann zum Glück irgendwann eine Art Rasier-Bequemlichkeit ein, weil beide insgeheim genervt von den ständigen Enthaarungen waren. Das hätte aber weder ich noch die jeweils andere je zugegeben. Haarstoppeln zu akzeptieren kam einem wie etwas Verbotenes vor oder zumindest etwas, was sich nicht gehört, weil es gesellschaftlich nicht akzeptiert war. Fast entschuldigend und rechtfertigend fielen verschämte Sätze wie „Tut mir leid, ich bin nicht frisch rasiert.“ … ironischerweise war die ernst gemeinte Antwort dann meist „Das macht doch nichts, ist mir egal. Ich auch nicht.“ Spätestens hier hätte der Groschen fallen können. Es ist egal! Aber die Manipulation über Jahre hatte ganze Arbeit geleistet. Ein Gefühl des Unwohlseins stellte sich ein, wenn man sich nicht glatt rasiert zeigte. Manche Frauen entwickeln dadurch sogar einen richtigen Ekel vor sich selbst, vor den eigenen Haaren. Empfinden sie als unhygienisch. Einfach mit dem Enthaaren aufzuhören, scheint gar keine Option zu sein. Irgendwann stellte ich fest, wie ich es in Singlezeiten (und Zeiten ohne Dating) genoss, mich einfach gar nicht zu rasieren oder eben nur bei Gelegenheit, alle paar Wochen oder alle paar Monate. Kein Jucken, kein unerträgliches Stechen beim Nachwachsen der Haare, wenn man eine enge Jeans trägt, im Büro sitzt und sich kaum auf die Arbeit konzentrieren kann, weil man sich vorgestern babyglatt rasiert hat und jetzt die Quittung bekommt.
Warum ist die Komplettrasur für Frauen in der westlichen Welt überhaupt zu einem solchen Zwang geworden? Die Ursache liegt der Pornografie und damit meine ich nicht nur unsere heutige, überall verfügbare Pornografie, sondern bereits die Anfänge in weit zurück liegenden Jahrhunderten, kulturübergreifend. Erwachsene Frauen, die das Zeichen ihres Erwachsenseins, nämlich die Körperhaare, entfernen sollen, um kindlicher und damit hilfloser für Männer auszusehen.
Inzwischen habe ich das Selbstbewusstsein, mich nur noch selten und im Intimbereich gar nicht mehr komplett zu rasieren, doch um an diesen Punkt zu gelangen war über ein Jahrzehnt der Quälerei und der Schmerzen nötig. Bis heute ist das Thema auch für mich leider präsent. Beim Dating, einem neuen Kennenlernen, weiẞ man nie, wie das Gegenüber zu dem Thema steht. Risiko. Mich verunsichert das heute nicht mehr so wie früher, weil ich inzwischen denke „akzeptiere meinen Körper wie er ist oder verschwinde wieder“ … aber an diesen Punkt zu kommen war ein langer Prozess. Doch es ist möglich und es bedeutet Freiheit und (mehr) Gesundheit. Darum möchte ich jedes Mädchen und jede Frau ermutigen, sich selbst und das eigene Verhalten zu hinterfragen. Warum rasiert man sich den ganzen Körper? Weil man sich selbst damit wohl fühlt? Weil man die Nebenwirkungen in Form von Juckreiz und Schmerz als notwendig hinnimmt? Nicht vielleicht doch eher, weil es erwartet wird, weil andere es wollen oder der Partner es gar voraussetzt? Selbstakzeptanz kann man genauso lernen wie die perfekte Rasur … und es ist im Gegensatz zu Rasierern, Schaum und Enthaarungswachs sogar gratis. Es muss sich nicht jede Frau vollständig gegen Enthaarung entscheiden, aber es ist wichtig, ein Bewusstsein zu entwickeln, warum man etwas macht und es bleiben zu lassen, wenn es einem schadet.
Selena hat schon zwei Bücher geschrieben, aktuell ist „Radfem“ erschienen, ein Buch zur Frauenbewegung und dem Feminismus in den aktuellen Debatten. Shaut mal vorbei: https://www.selena-broens.de/
Haare, Haare, Haare, wer von uns hatte dieses Thema noch nicht. Fühlst du dich gezwungen zur Rasur? Oder nimmst du dir die Freiheit raus auch mit Haaren durchs Leben zu gehen? 😉
Hast du auch ein Thema mit deinem Körper welches dich beschäftigt? Einen Rat für Andere? Etwas auf was du gern aufmerksam machen würdest oder was dich beschäftigt? Dann mach doch mit und reiche auch einen Text ein.
Von der Bikinifigur* bin ich weit entfernt. Darum kaufe ich mir keine Bikinis und ziehe auch keine mehr an. Ich fahre mit dem Rad zum See, in den FKK-Bereich und schwimme nackt. Das spart auch die Frage, ob ich nach dem Schwimmen den nassen Bikini ausziehe und einen trockenen an. In der Badetasche ist auf diese Weise mehr Platz für ein Buch.
Wenn ich an anderen Seen die jungen Frauen in ihren Bikinifiguren, mit der feuchten Badebekleidung und dem Handtuch, dass sie um sich geschlungen haben, um ihren Körper vor den Blicken anderer zu verstecken, ringen sehe, denke ich: „Da haben sie nun den begehrten, angestrebten, jugendlich, elastisch, schlanken Körper und ziehen sich doch so schamvoll um, damit ihn niemand sieht. Dann breite ich mein Laken aus, lasse ein Teil nach dem anderen darauf fallen, allen, die mich dabei beobachten, mute ich meinen Körperanblick zu: Schaut, so sieht ein Körper auch aus! Und so sieht deiner, ihrer, seiner, so der einer 80-Jährigen da drüben, so unterschiedlich! Und alle Körper schwimmen in dem See.
* Bikinifigur und Strandkörper sind Bezeichnungen für Schönheitsideale, die vorwiegend in Lifestyle- und Fitness-Magazinen, Frauenzeitschriften und Boulevardzeitungen in Artikeln über Fitnesstraining und Diäten zur Gewichtsreduktion verwendet wird. (wikipaedia.org)
*** Bikinifigur = Ein Körper mit einem Bikini bekleidet. (meine Definition)
Ich muss sagen, ich finde mich echt in jedem Text irgendwo wieder, und das ist so großartig. Wie geht es dir damit?
Es besteht die Möglichkeit mit deinem eigenen Text dabei zu sein. Meld dich gern bei Interesse. Es geht darum Erfahrungen und Befinden von Frauen zu sammeln. Deine Stimme ist gefragt, sie wird gebraucht! Texte von Frauen für Frauen. Mehr Infos hier ->
Dieses „neue“ Projekt braucht deine Stimme! Es ist ein feministisches Schreibprojekt, ein Erfahrungsprojekt, ein Erzählprojekt. Immer wieder stelle ich für mich fest, dass ich als Frau Fragen habe, über die ich gerne mit anderen Frauen sprechen würde. Frauen, die damit schon Erfahrungen gesammelt haben, mir vorausgegangen sind. Andererseits habe auch ich Erfahrungen gesammelt die ich gern teilen würde, und von denen ich denke das sie anderen Frauen dienen könnten.
Im gesellschaftlichen und allgemein kulturellen Kanon fehlen die Frauenstimmen. Sie hatten es schwer und haben es immer noch schwer.
Aufgeschrieben zu werden, und dann auch veröffentlicht und gekauft zu werden. Immer haben Männer erzählt. Es gibt unendliche Literatur, vom Buch, über das Essay, Artikel und heute auch TV-Sendungen und Podcasts, in denen Männer lang und breit ihre Befindlichkeiten darlegen. Ich suche Frauenstimmen. Ich möchte über das Befinden von Frauen lesen, von ihren Themen und Belangen.
Ein ganz großes Thema ist der Körper. Der Körper spielt für uns Frauen oft noch eine viel größere Rolle als für Männer. Der Körper ist an so vielen Stellen ein Thema, was nicht unbedingt heißt, dass wir eine gute Beziehung zu unserem Körper haben. Je nach Alter kann sich alles ändern. Oder was ist, wenn eine Krankheit dazu kommt oder andere besondere Erfahrungen. Als Frauen machen wir Erfahrungen mit unserer Periode und den Wechseljahren, viele auch mit Schwangerschaft und Geburt, andere mit Kinderlosigkeit. Aber auch mit einem Körper der meistens lange Strecken zurücklegt, und viel gearbeitet hat, dafür aber oft nicht gewürdigt wird. „Frauen und Medizin“ #FrauenbeimArzt wäre ein weiteres Thema.
Frauen werden gegängelt für ihren Körper oder sexualisiert und objektifiziert. Frauen haben z.b. eher Zahnprobleme durch die weiblichen Hormongeschichten, und sollen doch möglichst immer lächeln. Nur ein so ein Thema. Wir werden trotzdem auf sovieles nicht darauf hingewiesen und entsprechend behandelt. Der Mann ist die Norm, überall.
Dann ist da das Thema Freundschaft mit dem eigenen Körper und seiner Veränderung, aber auch die eigene Sexualität, Scham und Lust. Oder der Leib und seine leiblichen Genüsse wie Essen oder auch Sport. Weiblich sein ist eine körperliche, materielle Erfahrung.
Und Geschlecht ist noch immer enorm wichtig. Mädchen und Frauen leben anders, an sie werden bestimmte Erwartungen gestellt, sie sollen weibliche Stereotype erfüllen. Als deine Mutter schwanger war, gab es die Frage „Was wird es denn?“, zumindest ab da, wo das Geschlecht per Ultraschall erkundet werden konnte. Vielleicht wurden deine Eltern gefragt, was sie sich wünschen, ein Mädchen oder einen Jungen. Noch heute ist der sogenannte „Stammhalter“ wichtig, immer noch werden weltweit Mädchen gezielt abgetrieben.
Als Mädchen wurdest du sehr wahrscheinlich wie ein Mädchen angezogen, heute ist die RosaHellblauFalle ein richtiges Extrem geworden, und Mode für Mädchen und Frauen wirklich ein ganz spezielles Thema, nicht nur weil sie uns oft in unserer Bewegungsfreiheit einschränkt, sondern auch, weil es viel um Sexiness und Sexismus geht. Es gibt so so viele Themen. Welches Thema ist deins?
2017 gab es hier schon eine erste Sammlung von Texten. Wenn du damals dabei warst meld dich doch mal bei mir: madameflamusse@googlemail.com
Unser Körper ist lebenslang unser Zuhause, wir gehen mit ihm durch dick und dünn, Hochs und Tiefs. Nun suche ich noch mehr Erzählungen, Essays, Geschichten, Gedichte usw. Die Form der Erzählung überlasse ich dir. Ich möchte gern eine Sammlung zusammen bekommen, in der möglichst vielseitige Themen und Stimmen drin vorkommen. Denn Frauenstimmen fehlen, überall. Aber wir brauchen diese Stimmen in unserer Welt, dringender denn je.
Für uns selbst, für das Miteinander, für Verständnis, und für die folgenden Generationen. Wir brauchen die Erzählungen und Erfahrungen von Frauen.
Die Auseinandersetzung mit solchen Themen kann schmerzhaft sein, aber auch unterhaltsam, sie hilft uns uns selbst näherzukommen, uns besser kennenzulernen, Klarheit zu finden und uns und anderen Stärke zu schenken und der eigenen und kollektiven Weisheit gewahr zu werden.
„Speak out“ heißt es! Hast du Lust dabei zu sein? Du kannst einfach eine Geschichte einreichen. Oder gern auch vorher mit mir dazu in Kontakt treten. Es gibt schon einige Frauen, die dabei sind! Die Geschichten werden zuerst auf dem Blog veröffentlicht (mit Verlinkung zu deiner Seite, wenn du magst, du kannst aber auch anonym dabei sein) und dann soll es ein E-Book dazu geben. Schreibst du mit?
Wer mich noch nicht kennt, ich gebe u.a. Schreibkurse, Schreiben als Methode der Selbsterkundung und Biografiearbeit. Bin psychologische Beraterin, mit einem starkem Hang zum Kreativen. Wenn du mehr wissen magst schau mal unter „About“.
„Das macht mir Bauchweh„, das heißt man fühlt sich nicht wohl mit etwas. Wenn man nun dauernd Bauchweh hat, heißt das dann das man sich dauernd nicht wohlfühlt? Der Bauch als Sitz der Kraft sagt man bei den Chinesen. Der Bauch, unsere Mitte, eine Mitte die schmerzt. Die Mitte also.
Als ich in der Grundschule war, einige Zeit nach unserer Ausreise aus der DDR, hatte ich immer wieder Bauchschmerzen und kam für eine längere Untersuchungszeit ins Krankenhaus. Die Untersuchungen waren teilweise scheußlich, aber sonst fand ich das Krankenhaus ganz schön und fühlte mich so wohl, dass ich es gar nicht so eilig hatte wieder nach Hause zu kommen. Meinem Bauchweh half das aber nicht. Es wurde nichts gefunden und dabei hat man es belassen.
Vielleicht war das der Moment als der Bauch zu meinem Radar wurde, einem Radar den ich nicht verstand. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich auch vorher schon öfter mal Bauchweh hatte. An einen Moment erinnere ich mich besonders.
Kurz bevor ich in die Schule kam, wurde ich in der DDR zur Kur geschickt. Das war eine schlimme Zeit. Ich war 6 Jahre alt, sehr klein und sehr dünn, sagten die Erwachsenen, ich hatte damit kein Problem. Ich sollte wachsen und zunehmen und mit mehr Hunger zurückkommen. In der Kur mussten wir jeden Tag Milch trinken, einen großen Plastikbecher voll. Ich fand Milch immer eklig und auch Plastikgeschirr. Heute weiß ich das ich Laktoseintoleranz hatte.
Wenn wir nicht aufgegessen haben, mussten wir uns neben die Erzieherin an den Tisch stellen, solange bis wir alles aufgegessen hatten. Eine Qual. Wenn der Bauch weh tat, wurde einfach die Hose aufgeknöpft. Ein Kind, was sich über seinem Teller übergab, musste das wieder auslöffeln. Ein anderes Kind, das geflüstert hatte, bekam dagegen ein Pflaster über den Mund geklebt. Ich weiß nicht wie es ging, aber die Kur hat es geschafft, als ich wieder zurück war nach 6 Wochen – ich erinnere mich noch an die Brote mit Blutwurst auf der Rückfahrt im Bus, und an die Kälte – da aß ich mehr. Verlangte im Kindergarten Nachschlag bei der Suppe und wurde dafür gelobt.
Aber ich wurde weder dicker noch viel größer. Ich blieb lange die Kleinste, und da dies auch immer wieder thematisiert wurde, hat mich das bis in mein Erwachsenenalter hinein beschwert – von innen her. Denn dünn blieb ich genauso ewig noch.
In der Schule hatte ich oft Bauchweh, besonders bei Fächern wie Sport oder später dann im Sprachlabor – heute weiß ich, ich hatte ziemlich oft Angst. Angst vor Sport, vorm Sprachlabor und vor Lehrern und solchen Sachen. Angst was falsch zu machen und mich zu blamieren. Da nützte es auch nichts klein und dünn zu sein, man kam immer irgendwie dran. Nur bei einem Spiel konnte ich punkten, da wurde man von außen mit dem Ball abgeschossen (Krieg), sehr merkwürdig. Mich trafen sie meistens nicht, ich war flink und konnte mich gut ducken.
Wenn ich heute zurückschaue ist es mir klar, dass dieses Bauchweh ein Angstradar wahr. Spezielle Ängste, denn bei Gewitter ist er nicht angesprungen, obwohl ich da viel Angst hatte. Ich hatte auch Angst vor Einbrechern, und Angst vor Krieg, bestimmten Flugzeugen, und vor Atomenergie.
Viele Jahre später war ich an einem Arbeitsplatz gelandet, wo es mir überhaupt nicht gut ging, aber ich hatte auch sehr viel Angst vor dem Arbeitsamt, sodass ich mich jeden Tag wieder zur Arbeit quälte. Angst hier, Angst dort. Täglich wieder zum cholerischen und echt ekligem Chef.
1,5 Jahre quälte ich mich durch. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon lange jeden Monat mindestens 2 Tage furchtbare Schmerzen, Menstruationsschmerzen – diese begleiteten mich seit meinem 13. Lebensjahr. Seit inzwischen über 28 Jahren, Monat für Monat, pünktlich. Ich konnte meine Uhr danach stellen. Ich weiß gar nicht mehr so richtig wie ich damit umgegangen bin. Ob es früher irgendwie auszuhalten war, wenn ich mich wenig bewegte. Ich erinnere mich noch das ich große Probleme hatte Tabletten zu schlucken, also kamen die damals wohl nicht infrage. Heute kenne ich Schmerzen, von denen ich denke, dass ich das ohne Tablette nicht aushalte. Ich versuche trotzdem so selten wie möglich welche zu nehmen, weil ich das nicht mag und die Dinger ja auch Nebenwirkungen haben.
In der Zeit mit dem blöden Job kamen dann noch schlimme Kopfschmerzen hinzu, nun ja und die allgemeine Quälerei. Und dann bekam ich die Diagnose Endometriose. Das sind u.a. eine Art Zysten, Gewebe was sich verteilt, Verwachsungen, die nicht von alleine wieder verschwinden, sondern weiter wachsen, sagte die Ärztin. Sie riet mir sehr schnell zu einer OP und dass ich danach unbedingt mit Rauchen aufhören solle und die Pille nehmen müsste, um weiteres Wachstum zu verhindern. „Na super“ dachte ich. Und wieder war sie da, die Angst.
Diesmal ging ich so überhaupt nicht gern ins Krankenhaus und fühlte mich total verlassen und ahnungslos. Und das war ich im Grunde genommen auch. Die blöden Details lasse ich jetzt mal weg, von Empathie kann man beim Krankenhauspersonal nicht reden. Von Aufklärung seitens der Ärzte auch nicht.
Ich kann aber sagen, wenn du mörderische Bauchschmerzen hast jeden Monat, könnte es sein du hast Endometriose (und vielleicht auch Angst).
Heute gibt uns die Autorin und Jounalistin Maren Schönfeld einen Einblick in Ihr Leben mit Schmerz und Medikamenten, der Star: ein Gedicht! Der Pharma-Zoo