Pirasol

Pirasol – das ist im Roman eine alte Villa. Das Zuhause der alten Gwendolin. Sie lebt schon eine ganze Weile hier. Früher mit dem viel älterem Ehemann und dem Sohn, der eine inzwischen tot, der andere lange fort. Die alte Dame ist aber nicht allein. Sie hat sich, wie schnell klar wird leider, auf eine Mitbewohnerin eingelassen. die Mitbewohnerin ist um einiges Jünger und schaltet und waltet sehr bestimmend. Gwendolin fühlt sich überhaupt nicht wohl damit.
Dieser Geschichtenstrang zieht sich vom Anfang bis zum Ende durch das Buch und ist ein ziemlich angespannter Strang, mir wird am Schluß schon ganz hibbelig, so gespannt bin ich auf die Auflösung.
In den Zeiten dazwischen erinnert sich Gwendolin an ihre Zeit die Sie in Pirasol verbracht hat, aber auch an ihre Kindheit und Jugend im Krieg und vor allen den Nachkriegsjahren.

„…und sich gewundert hatte, warum er nur Papier ohne Zeilen benutzte und sich weigerte, seine Schrift auf gezogenen Linien abzulegen.“

Die ganze Geschichte hat etwas schleifendes, so wie das Leben Gwendolin geschliffen hat, wird auch der Leser geschliffen. Es fiel mir schwer das mitzumachen und durchzuhalten. Denn zwischendurch stopp es kurz und dann wird neu angesetzt. alles wird mehrfach aufgegriffen, jedesmal geht es ein Stück tiefer und Häppchenweise erfahren wir was in der Vergangenheit passiert ist.
Erfahren wie Gwendolin ihre Eltern verlor und in welcher bangen Hoffnung sie nach dem Krieg grade so überlebt.
Es scheint Sie ist erstarrt durch das was Sie schon früh erlebt hat. In ihrer Ehe wird das Ihr und dem gemeinsamen Sohn zum Verhängnis.
Was macht man nun mit diesen Erfahrungen, die einen still werden ließen. Was macht man jetzt im hohen Alter mit diesem Leben?

„… und Gwendolin spürte, wie sie sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete: die Einsamkeit, wenn man andere Menschen zueinander geführt hatte.“

Susan Kreller hat eine feine angenehme Sprachmelodie in den Roman gewirkt, immer wieder webt sie kleine Poesien sein, die viel Atmosphäre erzeugen. Eine echte Stärke des Romans. Er hat mich sehr berührt und so manches mal sind mir die Tränen gekommen, was mir eher selten beim lesen passiert.
Beim schleifenden der Geschichte bin ich mir nicht scher ob es ein ausgefuchstes Stilmittel ist, welches uns immer mehr hineinziehen soll oder ob es nicht eine Schwäche in der Erzählung ist? Zwischendurch empfand ich es schon durchaus auch als lästig und hätte mir gewünscht das die Dinge mit einem mal „erledigt“ werden und nicht zwei-, dreimal wieder angefasst werden um dann doch noch wieder neues zu offenbaren. Ja ich denke man hätte die Geschichte auf weniger Seiten erzählen können und es hätte ihr vielleicht auch gut getan. Aber ich glaube dann wäre nicht diese besondere Stimmung zu Tage getreten. Welches Leben läuft schon gerade? Was gelingt schon im ersten Anlauf? Und ja, wie vieles gelingt nie?

„..und der das, was war, in aller Lautstärke vergaß.“

Worüber ich froh war, das war das versöhnliche Ende, welches ich Gwendolin auch aus tiefstem Herzen gegönnt habe.
Pirasol ist ein besonderes Buch und birgt eine Geschichte in die man eben durch die Erzählweise tief einsteigt, eine Geschichte die in Erinnerung bleiben wird. Ein kleiner Wermutstropfen, auch wenn es die Geschichte von Gwendolin ist, dreht sich doch sehr viel mal wieder um die Männer, erst den Vater, dann den Ehemann und später den Sohn. Die Frauen bleiben zu oft Randfiguren, sehr schade.

„Er lachte, weil es seine Art zu weinen war … und wie sie selbst weinte, indem sie nicht mehr weinte“

Näheres zum Inhalt:

Das Mädchen was von einer Nachbarin gerettet wird, unter Umständen die ihr das fühlen abgewöhnen. Umstände die viel Kraft kosten um sie zu überleben. Der Vater der aus dem Krieg heimkehrt, mit dem das Mädchen in seiner Abwesenheit all die Bücher geteilt hat, die eigentlich längst verbrannt sein sollten. Bücher die das Mädchen nie vergessen wird, und die auch ihr Sohn ganz heimlich entdeckt, viel viel später. Bücher spielen eine große Rolle und haben sehr viel zur Rettung beigetragen – ich kenne das. Bücher die einen sich selbst wiederfinden lassen. Bücher die trösten oder neue Welten zeigen. Bücher die ein Heimatgefühl oder Geborgenheit schenken. Bücher auch in Form von Buchläden als Zufluchtsorten und Buchhändlern als Vertraute.
In der Erstarrung und Einsamkeit findet Gwendolin ein aufgewecktes paar graue Augen und lässt sich davon einnehmen. Lernt das Haus Pirasol kennen und verliebt sich sofort. Die Ehe wird ein Alptraum, die grauen Augen werden hart und bitter und lassen besonders am gemeinsamen Sohn alle Bösartigkeiten und Demütigungen aus. Strafen Gwendolin mit einer Kälte die Sie weiter in einer stummen Erstarrung verharren lässt. Der Widerstand so zart und leise das er nur für sehr kleine Glücksmomente reicht. Für ihren Sohn reicht es nicht.

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Pirasol
Susan Kreller

Piper/Berlin Verlag
Hardcover 20,- €  / Taschenbuch 11,- €

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Ein Auszug aus dem Roman erhielt den GWK- Förderpreis 2014
Susan Kreller: Geboren 1977 in Plauen, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über englischsprachige Kinderlyrik. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie 2012 mit dem Jugendbuch »Elefanten sieht man nicht« bekannt. Sie erhielt unter anderem das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium, den Hansjörg-Martin-Preis (2013) und 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis für »Schneeriese«. Sie arbeitet als Schriftstellerin, Journalistin und Literaturwissenschaftlerin

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zum reinhören
https://www1.wdr.de/kultur/buecher/susan-kreller-pirasol-104.html

Ich freue mich das ich geboren bin – Birgit Vanderbeke

dscn5674Kurz bevor ich die Sprache anfing wirklich nervig zu finden war ich dem Sog des Buches auch schon vollkommen erlegen.

Ja die Sprache ist merkwürdig, aber Sie passt zum Konzept. Ein Kind erzählt, so hört es sich für mich an – bzw. ein Kind erzählt wie sich das Erwachsene eben vorstellen das ein Kind erzählt; das aber in einer flüssigen Schriftsprache.

„…ich wäre gern ein liebes Mädchen gewesen, aber ich schaffte es nicht…“

Ich fing das Buch Abends in der Wanne an zu lesen und konnte nicht mehr aufhören – sprich das Wasser war irgendwann kalt und die Haut ganz schrumpelig, habe es dann die nächsten 2 Abende fertig gelesen – konnte es kaum aus der Hand legen. Es hat mich in seinen Bann gezogen. Ich hoffte auf ein gutes Ende, darauf auch, das sich etwas zum besseren verändert… eine echte Flucht gelingt, nicht nur in Gedanken.

„Wenn man lesen kann, kann man zaubern und sich in alle Länder in der ganzen Welt versetzen oder in Tiere verwandeln….“

Ich hatte viele Bilder im Kopf, grobe Illustrationen zu den schlimmen Dingen die hier nebenbei vorkommen, plötzlich auftauchen, so erzählt werden als wäre es Normalität… was es im Leben dieses Mädchens auch ist. Ein wirklich sehr eigenes Buch, heftige Beschreibungen dazwischen über Schläge und Misshandlungen und darüber allein zu sein, ausgeliefert. Und wie die Dunkelheit dann manchmal als Schutz zu einem kommt um den Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen.

„Lieber gar nicht lieb haben als trotzdem, dachte ich, weil man bei trotzdem im Grunde nichts machen kann.“

Davon das die Geschichte in den 60igern spielt merkt man nicht wirklich etwas. Die Rahmenhandlung spielt auch keine allzu wichtige Rolle. Auch wenn manche Begegnungen ausschlaggebend sind, z.B. für die Liebe zu den Geschichten und Märchen über Orte weit weg, die das kleine Mädchen faszinieren. Geschichten in die Sie sich flüchtet.

Am Ende franst es ganz und gar aus – das Buch, – die Geschichte, – was das Mädchen erzählt. Ich habe die Orientierung dann vollends verloren und ich verstehe nicht warum die Autorin so ein Ende setzt, oder was Sie damit sagen will. Es geht viel um „hätte“ und ich frage mich ob das Mädchen einfach durchgedreht ist…

Sicher kein Einzelschicksal was hier geschildert wird, schockierend in der Normalität des Brutalen, wie es selbst heute noch Kinder erleben müssen. Man wünscht sich man könnte das Mädchen retten,… an manchen Stellen ist es schwer zu ertragen.

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Faszinierend in der Sprache, Sog erzeugend in der Erzählung und teilweise schwer auszuhalten. Die Hoffnung die andere hier finde lese ich nicht. Auch wenn das Mädchen eine starke Persönlichkeit vorzuweisen hat und fast schon altklug und weise daher kommt, es hilft Ihr nicht beim davonkommen. Sie findet eine Strategie die Dinge zu ertragen, mir wäre es soviel lieber gewesen wenn Sie abgehauen wäre…

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Ich kenne  die Schriftstellerin nicht – Sie hat aber schon einige Preise für ihre Werke bekommen. Ich kann leider keine Vergleiche ziehen zu Ihren anderen Büchern. Ich weiß nicht ob es Ihre Kindheit war was Sie hier beschreibt…so manches spricht dafür, z.b. die Sprache und für mich auch Ihr Blick auf dem Foto, aber ich weiß nicht ob das nicht reine Interpretation meinerseits ist.

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Erst heute las ich wieder davon wie ein Kind von seinem Onkel zu Tode gequält wurde, mitten in Deutschland. Lasst uns die Augen offenhalten und die Ohren.

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Birgit Vanderbeke

Ich freue mich, dass ich geboren bin

Piper, 18, 00 €

 

 

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