Die Schwestern – Judka Strittmatter

DSCN2985Holprig, sehr holprig war der Einstieg in dieses Buch, wollte es schon sein lassen, aber dann war ich doch zu neugierig und hab die Disziplin angeschaltet und weiter gings.
Und es wurde besser. Die Sprache, der Textfluß. Wenn auch immer wieder ellenlange irgendwie vertrackte Sätze kamen, die das Verständnis erschwerten.

Ein wenig schwer fiel es mir auch, und das bis zum Ende die Schwestern auseinander zuhalten, was mir komisch vorkommt. Obwohl eigentlich immer Martha erzählt. Aber manchmal kam es mir vor als wäre Martha auch Johanne. Ich weiß nicht wieviel biografisches drin steckt bzw wie eins zu eins und wie auf verschlungeren Wegen. Am Ende schreibt ja jeder nur aus seiner Erfahrung heraus. Nur manchmal wenn der Autor selbst noch zu nah dran ist an seinem Thema – was ich hier Stellenweise vermute – wird es manchmal für den Leser schwierig zu folgen.

Viele Kriegsenkel werden sich wohl wiederfinden in diesen Verhältnissen die eher Antiverhältnisse sind. Die keine wirkliche Nähe oder Empathie besitzen und wo selbst die Schwester im Bezug auf die Eltern nicht auf der einen Seite stehen. Ich kann den Schmerz darüber nachfühlen. Manchmal wenn die Familie gegen einen ist fühlt es sich an als wäre es die ganze Welt und wenn dann auch noch die Schwester so anders und so weit weg in Ihrem handeln und leben agiert. Wie soll man sich fühlen? Explizit erzählt Martha das am Beispiel eines Besuchs. Ihr selbstgebackener Kuchen wird nicht gelobt, das Geständniss zur Therapie zu gehen ignoriert und schlußendlich als Ihr die Tränen kommen verlassen die Eltern ganz schnell den Tisch um sich anderen Dingen zu widmen.

Die Beziehungen sind sehr gut dargestellt, gefällt mir wie Sie auf den Punkt beschrieben werden. Die Themen benannt. Der Verhalten beschrieben. Ich bennen das extra weil ich es als eine gewisse Kunst finde dies zu benennen, Worte zu finden. Auch wenn es einfach wirkt, ist das nicht immer das schwierigste, dieses Zwischenmenschliche realistisch zu beschreiben?

Der Versuch eines gemeinsamen Urlaubs der Schwestern, vielleicht eine Art letzter Versuch einer Annäherung aber das in den Gefilden der Kindheit, da war vielleicht schon mit Ungutem zu rechnen? Nun wer nicht wagt der nicht gewinnt, wird sich Martha wohl gedacht haben.

Ein erster Eindruck zum Verhältnis der Schwestern: Martha über die Haare von Johanne “ ..das Gefühl auslöste, als beiße sie mit einem plombierten Zahn auf Alufolie..“ also wer da das Gesicht nicht verzieht.

Im laufe der Geschichte wird klar das auf der einen Seite die Eltern stehen mit Schwester Johanne die sagt „irgendwann muß es auch mal gut sein“ wenn die Sprache von Martha auf die Zeiten früher gebracht wird, in welcher sich Martha umgeben fühlt von Kälte und Häme. Eine Therapeutin erklärt Ihr das Sie beim Bäcker eben keine Koteletts bekommt. Aber Martha fällt es schwer loszulassen. Ist es ja auch. Der Kopf weiß das alles, aber das Herz sehnt sich nach Anerkennung und Zugehörigkeit, zutiefst menschliche Bedürfnisse. Der Schmerz von Demütigung und nicht gesehen werden treibt Sie um, immer und immer wieder.

Eine tolle Stelle finde ich den Vergleich der Eltern und Ihrer Spießigkeit und Unnahbarkeit mit der Scholle im Gartenverein, wo „Malve und Hortensie sich nur hintendran quetschen durften“

„wozu das Leben bejahen, wenn es auch Koniferen gab“

Ein wunderbarer Satz, wobei die Autorin wahrscheinlich im speziellen Fall der Konifere nicht von der heilsamen Wirkung weiß, aber egal, ich verstehe genau was Sie meint.

Neben all dem ein zweiter Erzählstrang; das Hotel „Sandbank“ – früher nur für Westler und hohe Tiere offen heute ein Hotel für Jedermann. Es geht um Gerüchte von Spitzeln, Stasi und Devisenhandel. Die Akte des Direktors wurde nun 20 Jahre nach der Wende gefunden, gerade zum Zeitpunkt als Johanne und Martha die alte Heimat aufsuchen. Synonym?

Es geht immer wieder um die Wandlung der Menschen die vorher im Sozialismus lebten und sich nun ihren Weg suchen im fremden Kapitalismus und einer versprochenen Freiheit, die manche auf gewisse Weise auch finden. Aber dies und das bleibt auch auf der Strecke oder muß sogar zurückgelassen werden um besser weiterleben zu können. Und Mitarbeiter die nach der Wende lange keine Arbeit hatten sind nun Ihrem Chef besonders treu, der eben auch im neuen Rahmen verstand mit den Menschen umzugehen. Wendehälse hier und dort. Was zählt da noch die Vergangenheit? Das Unrecht von damals?

Was konnte ein Einzelner schon tun gegen den Lauf der Geschichte?

Und was zählt ist doch das Jetzt, so denkt zumindest die Managerin des Hotels, Esther, die Martha aus Jugendzeiten noch kennt. Als Mädchen früher auf der anderen Seite, im Singkreis, bei den Christen.

Wie so oft: mal wieder finde ich den Klappentext schlecht weil er nicht stimmt, vorallem im Resümee: „Am Ziel Ihrer Reise – dem früheren Devisenhotel „Sandbank“ – werden die Schwestern mit einem Verrat konfrontiert, der über Nacht zum Zerwürfnis führt“ da ist Johanne schon längst abgereist.

Es gibt einen Verrat, ist es wirklich ein Verrat? Aber hat dieser überhaupt mit den Schwestern zu tun? Und das Zerwürfnis der Schwestern finde ich ein ganz eigenes Thema und vor allem besteht das nicht von Anfang an der Geschichte?

Ich weiß nicht genau ob ein Westdeutscher das Buch genau so versteht wie ein Ostdeutscher der noch Erinnerungen bzw. ein bisschen Wissen aus der DDR hat, wäre mal interessant zu erfahren. Bestimmte Stimmungen werden wahrscheinlich anders aufgefasst. Aber das schlechte Verhältnis zu den Eltern gibt es sicher so auch im Westen, denn das ist doch eher ein Generationenthema und keins der Staatsform.

Trotz schwerem Start merke ich gerade, wo ich hier darüber schreibe das ich das Buch gut fnde und wichtig. Ich werd es nochmal lesen glaub ich.

Judka Strittmatter

Die Schwestern

Aufbau Verlag

19,99 €

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