Die Geschichte spielt einmal in den 50iger Jahren: eine Zeit in der Frauen immer noch als Unikate in bestimmten Fächern an der amerikanischen Uni zählen und genauso auch Nicht-Weiße hervorstechen – in dieser Geschichte ein junger Dozent – chinesischer Migrant der zweiten Generation, und nur durch Glück an dieser Stelle. Beide Außenseiter und Sie mit großen Plänen für die Zukunft.
Der andere Teil spielt Ende der 70iger Jahre. Die beiden, Er James P. Lee und Marylin Walker sind nun schon länger verheiratet und haben zusammen 3 Kinder.
Auf einer Ebene der Geschichte erfahren wir viel über die Eltern und ihre Kindheit, Ihre Entwicklung und Ihre Gedanken und Wünsche. Marylin wollte vorallem eins: nicht so leben wie Ihre Mutter, sie wollte Ärztin werden und es sah wirklich gut aus für Ihren Traum. Sie war fleißig, durchsetzungsfähig und wußte was Sie wollte.
Auf einer anderen Ebene erfahren wir jeweils etwas über die 3 Kinder, den Ältesten: Nathan, dann die zweitgeborene: Lydia, und die Jüngste: Hannah.
Und eins ist vom ersten Satz an klar, hier geht es nicht um eine schöne Geschichte oder Unterhaltungsliteratur. Der erste Satz erzählt uns davon das Lydia tot ist. So entwickelt sich die Geschichte hauptsächlich in einer Rückschau, und das vom feinsten.
Selten habe ich ein Buch gelesen wo jede Figur einer Familie so genau betrachtet wird und so gleichberechtigt zu Wort kommt. Für mich eine große Kunst die Entwicklung dieser Psychogramme der einzelnen Familienmitglieder. Sehr gut gemacht. Unheimlich fesselnd. Hier ein bisschen, da ein Stück und dort eine Scherbe. Und am Ende fügt sich alles wie ein sehr großes Puzzle zusammen.
Die Mutter hatte es nicht einfach, die Zeit, das angeborene Geschlecht – aber an irgendeinem Punkt scheint sie auch so vollkommen aufgegeben zu haben, so sehr Untertanin zu sein. Der Vater immer durch sein Aussehen von Anfang an ein Außenseiter – genau wie die Kinder – die so vieles wiederholen was schon den Geschichten der Eltern nicht gut tat. Aber so läuft das in Familien, wenn keiner die Muster durchbricht. Und Kinder passen sich einfach sehr gut an und ordnen sich unter, weil es für Sie überlebenswichtig ist, das erzählt hier Celeste Ng wirklich sehr präzise. Die Eltern schon früh „versehrt“, und wenig hinterfragend, beide irgendwie in ihren eigenen Schmerz verwickelt mit wenig Gespür für den anderen wie mir scheint. Auch wenn beide Außenseiter sind, ist das nicht unbedingt wirklich das verbindende Element, denn beide sind eine andere Art von Außenseiter.
Die Kinder bilden zusammen eine eigene kleine Welt, wie das so ist; denn Sie haben natürlich einen vollkommen anderen Blick von Ihrem Standpunkt aus. Lydia und Nathan sind sehr eng miteinander, vor allem seit einem Vorfall vor Hannahs Geburt verbindet Sie ein stummes Versprechen. Hannah dann, scheint zwischen all diesen Verknotungen, Verletzungen und Sprachlosigkeiten wie ein kleiner Geist durch das Haus zu tapsen, immer mit guten Gedanken für jeden in ihrer Familie. Man wünscht sich zwischendurch immer wieder sehr das wenigstens einer endlich etwas sagt.
Ein wunderbares Buch, und trotz der schwierigen und traurigen Thematiken verliert es sich in keinem und zügig geht es vorwärts. Als Leserin mochte ich es kaum aus der Hand legen.
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Was ich euch nicht erzählte (Link führt zu einer speziellen Buchseite)
dtv, 19,90 €
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Celeste Ng aufgewachsen in Pittsburgh in den späten 60iger Jahren, hat in Harvard studiert und für ihr Buch viele Preise bekommen. Es wurde in 20 Sprachen übersetzt. Außerdem soll es verfilmt werden.