Sophie hat die Gruppe verlassen

Sophie hat die Gruppe verlassen“ – der Titel hat mich sofort angesprochen, aber er täuscht in gewisser Weise. Ich dachte dabei an Geschichten aus dem Internet, darum geht es aber nicht. Es geht aber durchaus darum, dass Dinge und Menschen gehen, Situationen verlassen; auf die eine oder auch andere Weise, freiwillig oder zufällig.

Dreizehn überraschende Kurzgeschichten versammelt Sybil Schreiber in diesem Buch. Manche Themen und Details wiederholen sich in Variationen. Mit der Geschichte von Sophie fängt es an. Sophie, die Urlaub in fremden Wohnungen macht… noch eine der milderen Storys in dieser Sammlung, und mit viel Atmosphäre.
Zwischendurch wird es in diesem Kurzgeschichtenband richtig bitterböse, aber nicht nur das….
Zwischen den Geschichten gibt es kleine „Gedichte“ die den Eindruck der vielen „Enden“, und der nicht vorhandenen „Möglichkeiten“, noch verstärken. Nach Sophie – deren Geschichte mir sehr gefallen hat mit dem überraschendem Ende – folgt die Story über Cowboyfüsschen – die fand ich richtig zauberhaft, voller Phantasie und Tiefe. Cowboyfüsschen hat mit ihren 36 Jahren beide Eltern verloren und nennt sich selbst Old Shatterhand. Um ihre Trauer zu verarbeiten macht sie sich auf die Suche nach Winnetou.

In allen Geschichten wird uns ein Blick hinter die Fassaden geschenkt, und dieser ist oft erschreckend, und wenn kurzfristig vielleicht lustig, dann nur ganz kurz, sehr kurz. Manchmal sind es ganz kleine Begebenheiten, Gesten, die plötzlich einen Graben öffnen oder die Geschichte am Ende nochmal in eine ganz andere Richtung drehen.

Wir treffen auf einsame Herzen, und diese auch aufeinander, begegnen schmerzhaften, depressiven Strukturen. Werden Zeuge von Ausbrüchen und Umbrüchen. Manchmal möchte man in die Geschichten eintauchen und die Protagonisten retten z.b. in „Scherbensuppe“. Leben was sich in einer Sackgasse befindet, was sich nicht auf dem Weg des „alles wird gut oder besser“ befindet, sondern meistens in eine ganz andere Richtung geht. Ein bisschen durchdrehen, melancholische Blicke sammeln, die letzte Kraft zusammennehmen, überraschende Schritte wagen.

Ganz anregend dann dazwischen wieder Geschichten wie „verdammter Kraftort“ – mit piecksenden Yogamatten, „fieser“ Yogalehrerin, schlimmer Mutter und regelmäßigen Dampferfahrten. Einfach herrlich. Und ja ich mag das Happy End.
Die meisten Geschichten sind nichts gewesen für meine bevorzugte Lesezeit – vorm Schlafen – zu aufregend, auch wenn es eher die leisen Aufreger sind, aber durchaus welche die so ein richtiges „bäm“ ans Ende setzen. Und bei diesen Enden ist auch nicht klar ob die jetzt wirklich positiv gemeint sind oder im nächsten Moment, der nicht mehr erzählt wird, was gruseliges passiert.
Da wartet sie auf einen Anruf, aber es klingelt an der Tür, … da sucht sie eine Adresse auf und wird auch eingelassen, man kennt sich nicht wirklich… es bleibt ein gewisses Misstrauen und eine Wachheit die einen die Geschichten weiterspinnen lässt.
Der kleine Prolog, der das Buch mit Wucht beginnen lässt, später mit „Herz schlagen“ und einer kotzenden Moderatorin eine Fortsetzung findet, setzt mit der Epiloggeschichte einen starken Punkt. Gekonnt eingerahmt würde ich sagen, sehr schöne Idee für so eine Kurzgeschichtensammlung.

Das Buch kommt aus der Schweiz, so wie auch der Verlag.
Der Salisverlag schreibt über Sybil Schreiber:

Sie wuchs mitten in München auf, besuchte die Schauspielschule in New York, machte eine Ausbildung zur Modedesignerin und arbeitete danach als Redakteurin für annabelle, Schweizer Familie und Tages-Anzeiger. Die freischaffende Autorin schreibt seit 18 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann die meistgelesene Kolumne der Schweiz »Schreiber vs. Schneider« in der Coop-Zeitung. Mittlerweile sind acht Bücher von ihnen erschienen. Sie gibt Schreib- und Biografiekurse und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Zürich. Wenn sie nicht gerade schreibt, lässt sie sich am liebsten im Rhein treiben oder isst Marzipanschokolade.

***
Sybil Schreiber
Sophie hat die Gruppe verlassen
Salis Verlag
144 Seiten, 19,00 €
***
Salis über sich selbst: Salis ist ein unabhängiger Buchverlag für Belletristik und Sachbuch. In der Sparte Literatur konzentrieren wir uns auf junge und jung gebliebene Autorinnen und Autoren mit dem Ziel, diese langfristig aufzubauen und zu begleiten. Die Sachbücher behandeln alltägliche Themen, gesellschaftliche wie auch politische Anliegen. Salis publiziert rund acht neue Titel pro Jahr und konzentriert sich auf inhaltlich wie formal hochwertige Bücher.
Also hier könnt ihr euer Indiebook kaufen z.b. am Indiebookday 😉
*
Ps.: Bei Facebook haben fast 1800 Leute den Post gesehen, ich bin geflasht, wow
Denke es liegt daran das die Autorin und ihr Mann vorbeigeschaut haben. So toll *freu*

Peter Stamm zum Zweiten

u1_978-3-10-002227-1Nach der gestrigen Recherche und einer ersten Einschätzung musste ich das Buch dann doch schnell fertig lesen und habe es heute beendet. Was auf Seite 73 anklang, beginnt sich auf Seite 163  auszubreiten. Hier nimmt das Buch in allem eine Wendung. Wir erfahren nun etwas über das Paar Astrid und Thomas, ihre Vorgeschichte und wie die beiden so sind, wie sie sich gefunden haben und wie jeder von Ihnen die Beziehung anging.

Wer bis dahin durchgehalten hat, sollte unbedingt weiterlesen, denn ab dieser Stelle macht das Buch mehr Sinn. Trotzdem ist es für mich keine Art des Schreibens, die ich genießen kann. Wie ich schon schrieb, stürzte ich doch sehr durch die Seiten – mein Geist suchte einen Anker für die Konzentration. Peter Stamm will dem Leser nichts vorwegnehmen und ihm nichts erzählen, sondern ihn selber die Zwischenräume, die Emotionen füllen lassen. Ich finde dies schwierig, wenn die Vorgaben so eng sind, der Rahmen der Geschichte sehr gesetzt ist.

Je weiter wir uns dem Ende des Buches nähern, desto mehr geht es um Möglichkeiten. Möglichkeiten, die aber nur so lange da sind, bis kurz vor dem Moment, wo etwas entschieden wird, oder in Gedanken, manchmal noch lange nachdem etwas stattgefunden hat. So ist auch nicht klar, was nun tatsächlich der Verlauf der Geschichte ist. Der Leser selbst kann entscheiden, welchem Erzählstrang er Glauben schenken mag. Endet die Geschichte auf Seite 163? Oder erst auf Seite 223? Welches ist der richtige Verlauf, welcher nur Phantasie… ach, stimmt, es ist ja alles nur ausgedacht! Und warum sich nicht mehr ausdenken und Möglichkeiten aufzeigen, gleichwertig stehenlassen und dem Leser die Wahl überlassen? Zugegeben, es ist eine Möglichkeit des Schreibens.

Marina von Literaturleuchtet – eine passionierte „Stamm“Leserin im doppelten Sinne, schrieb in einem Kommentar zu meiner Halbzeitrezension: „Ich finde gerade solche offenen Geschichten sehr reizvoll und Romane dürfen für mich auch gerne mal sperrig oder unbequem sein, Verwirrung ist auch ganz gut oder Rätselhaftigkeit“

Ich finde Verwirrung schafft er wirklich irgendwie, vor allem wenn man den Autor nicht kennt, ist man nicht auf diese Art des Schreibens gefasst. Aber für mich bliebt auch eine Leere zurück, die ich als Leserin gar nicht füllen möchte. Ich mag es eher, wenn ein Roman mir Fragen schenkt im Sinne eines „so hab ich noch gar nicht darüber nachgedacht“ oder auch eine klare Haltung, an die ich mich schmiegen oder an der ich mich reiben kann. Oder Erkenntnissgewinn, ich lese oft um Antworten zu finden, in den Geschichten der Anderen, oder auch ein (Wieder)Erkennen, Trost… Ich denke das Buch kann Anstoß sein, neben Funktionieren, und eigenen festen Abläufen. Für den, der Anreize sucht für neue Fragen, und eben einen neuen Raum für das Denken von Möglichkeiten. Bei mir läuft das den ganzen Tag sowieso im Hintergrundprogramm als HSP und Scanner. Kein Kuschelbuch, nichts Fertiges, keine Weisheiten, kein Resümee, eher so wie Marina schon schrieb: eine Art Rätsel, offen, sperrig, mit Freiraum.

zum ersten Teil der Rezension ->

***

Peter Stamm
Weit über das Land
Roman, S. Fischer Verlag

Preis 19,99 

 

Weit über das Land – Peter Stamm

u1_978-3-10-002227-1Bei der Hälfte bin ich angelangt. Teilweise durch die Seiten gestürzt. Beiseite legen konnte ich es trotzdem noch nicht. Obwohl es mir schon öfter in den Sinn kam, weil ich mich frage „was soll das?“.

Ein Paar, über welches man nicht viel weiß, auch wenn man nach und nach Details erfährt oder erahnen kann wie es so steht mit Ihnen. Ein Mann der eines Abends einfach spontan durch das Gartentor das gemeinsame Familienleben verlässt. Immer weiter läuft.

Für mich liest es sich oft wie eine Aneinanderreihung von Schritten, Punkten.. wie eine Auflistung. Der Autor springt zwischen dem Mann und seiner Frau. Zwischen Jetzt und Erinnerung. Zwischen Denken und Wahrnehmung der Protagonisten.

Ich will wissen wie es ausgeht, also werde ich es wohl zu Ende lesen müssen. Doch bereitet mir dieses Buch Kopfschmerzen. Es ist einmal so vollkommen anders als ich es erwartet hätte, einfach nur dadurch weil der Mann spontan verschwindet, ohne Vorbereitung und Plan und man als LeserIn auch nicht erfährt was dieses weggehen ausgelöst hat… es passiert einfach so als gehöre es zur Routine wie das Aufstehen am morgen.

Ich kannte den Autor bisher nicht, wußte nichts von seiner Art zu schreiben. Verständlicher wird mir das Buch, bzw. das Schreiben des Autors durch dieses Interview. Aber so wirklich meins ist es nicht.

http://www.mdr.de/kultur/empfehlungen/buch-der-woche-peter-stamm-weit-ueber-das-land100.html

Wie der Mann so unterwegs ist durch das Land, die Dörfer, Wälder und Wiesen hat mich das an den Protagonisten aus „Die dunkle Seite des Mondes“ von Suter erinnert. Aber hier bei Peter Stamm wird alles nur sehr knapp und im Grunde faktisch beschrieben. Keine Emotion, keine wertende, wahrnehmende Beschreibung sondern wirklich ein Aufzählen…hier scheint das tun sehr im Vordergrund zu stehen. Auch wenn der Autor meint das es ihm immer wieder um das „Unterwegs sein“ geht – um das worin er unterwegs ist geht es ihm nicht. Schon eher kein Roman. Ich weiß nicht wie man diese Gattung bezeichnen kann.

weitere Meinungen: http://www.literaturcafe.de/weit-ueber-das-land-von-peter-stamm

»Weit über das Land« von Peter Stamm – Der Rest sagt: »Hä?«

auch hier gibt es ein schönes Interview – ganz sympatisch das auch Peter Stamm so seine Schwierigkeiten hat mit den Rechtschreibregeln und den Kommas, und dafür seinem Lektor sehr dankbar ist

bei Perlentaucher finden sich wieder Links zu verschiedenen Rezensionen der Zeitungen

https://www.perlentaucher.de/buch/peter-stamm/weit-ueber-das-land.html

und bei Literatur leuchtet, eine Rezension einer Leserin die Peter Stamm schon oft gelesen hat

https://literaturleuchtet.wordpress.com/2016/05/23/peter-stamm-weit-ueber-das-land-s-fischer-verlag/

***

Peter Stamm

Weit über das Land

Roman, S. Fischer Verlag

Preis 19,99 

Die Zeit, die Zeit – Martin Suter

DSC05140Auch in den letzten Tagen beendet. Ich arbeite mich so nach und nach durch alle Suterromane (nur nicht die BusinessStorys). Akribisch erzählt wie man es so kennt vom Herrn Suter. Trotz der Details und langwierigen Vorbereitungen der Figuren ein spannendes kleines Büchlein. Kann mir das sehr gut als Verfilmung vorstellen. Und mal ein Ende was mir richtig gut gefallen hat.

Es geht um die Zeit bzw. darum das es die Zeit eigentlich nicht gibt – diese Vorstellung kann ich gut verstehen, und das wird hier auch recht plausibel dargestellt. Die Hauptfiguren: ein jüngerer und ein älterer Mann die beide Ihre Frauen verloren haben… mehr verrate ich jetzt nicht, einfach lesen 🙂

Mein Lieblingsbuch von Ihm „Die dunkle Seite des Mondes“ schlägt es aber nicht.

Alle meine Wünsche – Grégoire Delacourt

Es kommt ganz unschuldig daher das kleine Büchlein mit seinem hübschen Einband. Wenn man den Klappentext liest fühlt es sich auch an wie leichter Lesestoff mit einer hübschen Geschichte über Glück. Aber dem ist nicht so. Die Heldin ist eine Frau, verheirat, 2 Erwachsene Kinder, die sich einen bescheidenen Traum mit Ihrem kleinem Handarbeitsgeschäft erfüllt hat. Die Ehe scheint immer noch Bestand zu haben, oder soll ich lieber sagen: zu funktionieren…

Es geht um einen Blog, um die Ehe, den Partner, Erfolg und Gewohnheiten, Bescheidenheit – vielleicht weil unterbewußt klar ist das es wichtig ist nicht am Bestehenden zu rütteln, damit es weiter so funtionieren kann wie es ist – ein fragiles System, was so fest erscheint.. – die manchmal fast demütig anmutet und es geht um große Veränderungen die das Alte in Frage stelle, obwohl es immer wieder in seiner Beständigkeig Schöngemalt und Beteuert wird. So sehr beteuert wird – vorallem die Beziehung zum Partner, das ich mich frage ob die Dame sich nicht selbst belügt. Aber lest selbst. Ein spannendes Buch mit überraschender Wendung und ganz anders als man erst denkt.

%d Bloggern gefällt das: