Selten hatte ich ein Buch mit so einem schönem Einband, geschweige denn einem echtem Farbkonzept und solch einem farbigen Schnitt. Wirklich wunderschön gemacht und sehr verführerisch. Schlußendlich hat mich die Gestaltung auch verführt das Buch zu lesen.
Das ist eines der Bücher aus dem Überraschungspaket vom S. Fischer Verlag gewesen, ich hatte dazu etwas im Artikel über das Bloggen geschrieben. Ich bin eine Weile drumrum geschlichen, weil der Klappentext so klang als wäre es kein Buch für sensible Menschen wie mich. Aber dann war ich doch zu neugierig.
Die Autorin wird in ihrem Heimatland Belgien sehr gefeiert. Belgien also, puh, da hätte ich jetzt doch ein paar Fragen.
Denn, Achtung! dieses Buch ist brutal und es ist mir ein Rätsel, wie man dieses Werk feiern kann. Ich weiß nicht warum so ein Buch geschrieben wird und wozu?
Mir gingen lange nach dem lesen die Figuren, besonders die 2 Mädchen, die Hauptfigur Eva und die kleinere Tesje, nicht aus dem Kopf und ich hätte gern darauf verzichtet. Der Aufbau der Spannung ist logisch, dadurch das mal hier mal dort was gestreut wird. Darin sehe ich jetzt kein besonderes Talent, sondern eine Schreibtechnik die immer funktioniert, oder sagen wir meistens. Erstaunlich ist für mich die Dicke des Buches. Ich frag mich jetzt, ist denn da wirklich so viel passiert, das es echt diese vielen Seiten füllt?
Wir begegnen Eva, und ihrer Familie. Ihrer dysfunktionalen und kaputten Familie, in der die Kinder vollkommen allein auf sich gestellt scheinen. Und im Grunde nicht mal wirklich mit dem nötigsten versorgt sind.
Schnell läßt uns Lize Spit in der Atmosphäre ankommen. Das gelingt ihr ganz hervorragend. Die Beschreibung des Dorfes und seiner Bewohner. Wir werden teilhaben an kleinen Ritualen und dem Alltäglichen, befinden uns ganz nah dran. Ein Ort, begrenzt, und jeder kennt jeden. Schnell kommt Lize Spit zur Sache, hier und dort werden die Samen gestreut, die später aufgehen. In anderen Rezensionen las ich das der Anfang seine Längen hätte, das kann ich so nicht sagen. Es gibt nicht soviel Handlung aber eine Verdichtung von Atmosphäre, der Nährboden auf dem sich die Grausamkeiten entfalten.
Und da geb ich einem Kommentar auf dem Buchrücken recht: „…gnadenlos, knallhart und kompromisslos grausam…“ Die Auswahl ist immer klein für Eva. Ob es um einen eigenen Platz geht, um das Essen, gute Momente, Freunde. Es gibt keine Vertrauten, dafür aber einen kleinen Kreis von „Freunden“. Jungs. Und dann noch ein Mädchen. Diese Verbindungen, die tage auf dem Dorf, das alles ist wirklich gut geschrieben.
Aber warum Gewalt – die so schon so verbreitet ist – auch noch so detailiert in der Literatur schildern, wie es hier passieren wird? Wenn eben nichts daraus gezogen werden kann. Oder was bitte sollte man aus expliziter Schilderung von Gewalt ziehen? Die Wucht der Brutalität und des Leidens, welchen einen innerlich fast erschlägt? Und die Momente der Gewalt werden hier und da gestreut, sie wachsen, nach und nach. Kleine Begebenheiten bis zu einer furchtbaren Tat an Eva. Als gäbe es nicht schon genug schreckliches im Leben des Mädchens, der Schwestern… Und das Ende? Ich bin so überhaupt nicht einverstanden damit. Gut es bleibt eine kleine Lücke die unserer Interpretation überlassen ist….
Ich hoffe nicht das so viele Menschen das Buch lesen und ich hoffe es wird kein Erfolg. Es wird drüber gesprochen und ich bin entsetzt wenn ich Lob darüber höre. In der japanischen Literatur gab es ja dieses exzessive sich selbst zerfleischen und zeigen, in der Postmoderne, aber hier kann ich es nicht einsortieren.
Wie kann man selbst in solche eine brutale Welt einsteigen als Schriftstellerin, es kommt mir ein wenig krank vor, im Sinne von einer Art Selbstgeiselung oder auch Bösartigkeit . Oder ist es die Verarbeitung eines Traumas? Sollte dieser Text nicht unbedingt eine Triggerwarnung dabei haben? Ich habe es weiter gelesen, weil ich immer noch auf einen kleinen Fitzel von gutem hoffte. Das ein kleines Stück gutes Ende dabei sei. Aber das Ende ist ja nicht mal ein richtiges Ende.
Die Autorin hat es geschafft das man die Kälte am eigenem Leib spürt und diese graue Wolke um alles. Das man mitten drin ist. Aber wer will schon mitten in so einem Horror sein, der für einige Menschen sehr wahrscheinlich nah an der Realität ist?
Ich bin froh das ich zwischen dem Lesen und der Rezension einige Monate habe vergehen lassen, so das ich jetzt im Nachgang durchaus auch der Qualität die das Buch hat Raum geben konnte. Denn direkt nach dem lesen war ich einfach nur geschockt und wütend. Ich wünschte mir trotzdem noch ich hätte es nicht gelesen.
Hat jemand von Euch das Buch gelesen? Wie geht ihr mit so etwas um?
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Lize Spit
Und es schmilzt
S.Fischer Verlag
22,- €
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